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Wenn Das Leben Dir Eine Zitrone Gibt, Frag Nach Salz Und Tequila

Titel: Wenn Das Leben Dir Eine Zitrone Gibt, Frag Nach Salz Und Tequila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonya Kraus
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die Kraus’sche Frühzeit. Nämlich zu dem Tag in meinem Leben, als meine Oma mich fragte: »Sonya, was willst du eigentlich werden, wenn du groß bist?«
     
     
    MIT ARSEN UND SPITZENSCHÜHCHEN – ODER:
MEIN LEBEN ALS GODZILLA
     
    Ich war knapp vier und hatte nicht den leisesten Zweifel: As-tronautin war the next big thing ! Schon bald, das teilte ich Omi im Brustton der Überzeugung mit, würde ich den Mond heftig aufmischen. Wenn ich nicht gerade in einer knallpinken Rakete durch den Orbit düste. Und natürlich warteten in unendlichen Weiten Abenteuer auf mich, wie auf Captain Kirk und Mr Spock. Dabei sah ich dann so umwerfend aus wie Lieutenant Uhura (allerdings in Rosa).
    Blöderweise war es in den rückständigen Siebzigerjahren auch für zukunftsorientierte Vierjährige noch nicht möglich, eine Astronautenausbildung zu beginnen – und glauben Sie mir, ich wäre sofort dabei gewesen. Dann wäre vielleicht alles anders gekommen. Aber ich konnte noch nicht einmal am Computer mit irgendwelchen Space-Games üben. Ganz einfach, weil 1977 noch kein Mensch einen Computer hatte – die ersten PCs gab’s erst vier Jahre später. Nein, noch nicht mal Pacman oder Teletennis waren erfunden, ich lebte computertechnisch gesehen in der Steinzeit.
    Zum Glück hatte ich nicht viel Gelegenheit, über dieses harte Schicksal in mein Pippi-Langstrumpf-Kissen zu heulen. Schon kurz nachdem ich laufen konnte, hatte ich meine Umgebung bei jeder Gelegenheit – an Geburtstagen, an Weihnachten oder bei Fernsehabenden – mit kreativen Freestyletänzchen unterhalten. Und weil meine umsichtige Mama als Lehrerin ein Talent fördert, wenn sie es erkennt (und weil sie außerdem froh war, wenn ihr hyperaktives Sonyalein beschäftigt war), hatte sie mich mit vier beim Kinderballett angemeldet.
    Das lief töfte, weil meine ohnehin vorhandene Tanzlust hier top kanalisiert wurde. Niemand musste mich zum Training prügeln – meine Mama war so weit entfernt von einer ehrgeizigen »Eislauf-Mutter«, die ihr Kind zu Höchstleistungen zwingt, wie Marianne & Michael von einem Nummer-1-Hit in den USA. Ich war von ganz allein mit Begeisterung dabei; wenn’s nach mir gegangen wäre, wäre ich täglich im Tutu herumgehüpft und nicht nur zweimal die Woche. Bald war ich die beste Mini-Elfe im Verein, und als ich sieben war, schaffte ich ohne größere Anstrengung die Aufnahmeprüfung am Konservatorium der Musikhochschule. Endlich! Mein Traum vom täglichen Training wurde wahr! Nach der Schule flitzte ich kurz nach Hause zur Nahrungsaufnahme, dann ging es mit Bus, U- und S-Bahn in einen komplett anderen Teil Frankfurts. Die Fahrt dauerte eine satte Stunde, das Training vier. Mit Duschen und Heimweg war der komplette Nachmittag futsch – und das jeden Tag.
    Man hätte mein kindliches Engagement für eiserne Disziplin halten können. Ich empfand das aber nicht so – ich war einfach in meinem Element und wurde besser und besser. Ziemlich bald wurde ich sogar für Aufführungen der Frankfurter Staatsoper rekrutiert und schnupperte erste Bühnenluft. Das hieß im Klartext, das Wochenende war jetzt auch noch belegt. Machte aber nix, weil mir der »Job« ja solchen Spaß machte. Ich war zum Dance-aholic mutiert und nahm die Kommandos unseres »Drill Instructor«, der gestrengen Madame Constantiné, mit Gleichmut hin.
    Gleichzeitig warf der schnöde Kapitalismus seine ersten Köder aus: Für jeden Auftritt als kleine Grazie bekam ich 50 Mark; für die Proben kassierte ich 25. Unglaublicher Reichtum für eine Grundschülerin.
    Die Astronautin – war da was? – war logischerweise bald vergessen; schon im zarten Alter von acht Jahren hatte ich meine wahre Berufung gefunden: Ich würde eine frenetisch auf der ganzen Welt gefeierte Primaballerina werden! Jawohl! Aber natürlich nicht irgendeine. Ich sah mich vor meinem geistigen Auge schon im Bolschoi Theater in Moskau über die Bühne schweben, bevor ich mich angesichts der nicht enden wollenden Standing Ovations anmutig verbeugte.
    Und es sah wirklich gut aus für meinen Traumjob. Ich tanzte mich mit jedem Jahr weiter in die vordere Riege des Kinderballetts der Oper. Dass meine schulischen Leistungen derweil aus reinem Zeitmangel etwas zu wünschen übrig ließen – who cared! Wozu brauchte ich in Moskau Bruchrechnung und den lateinischen Ablativ? Es war abzusehen, dass ich spätestens nach der mittleren Reife von der Schule abging, um die dreijährige Ausbildung als klassische Tänzerin anzutreten.

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