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Wenn Das Leben Dir Eine Zitrone Gibt, Frag Nach Salz Und Tequila

Titel: Wenn Das Leben Dir Eine Zitrone Gibt, Frag Nach Salz Und Tequila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonya Kraus
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ich etwas mache oder sage. Würde ich mich zum Beispiel zwingen, introvertiert und besonnen zu sein, würde ich mich nach »Regieanweisungen« richten, die nicht zu mir passen. Stattdessen folge ich einfach meinem Bauchgefühl, meinem Instinkt oder wie auch immer man das nennen möchte.
    Günther Jauch und Jörg Pilawa verstellen sich natürlich auch nicht – die sind einfach so! Auch sie haben ihre Stärken erkannt – und genutzt. Ich bin eher wie ein Stefan Raab oder ein Elton, an mir scheiden sich die Geister. Niemand würde mich mit Attributen wie »seriös«, »zurückhaltend« oder gar »vornehm« beschreiben – das ist auch völlig in Ordnung, weil das nicht zu mir passt. Oder sagen wir besser: nicht mehr passt.
    Forscher glauben, dass ein großer Teil unseres Charakters zwar durch die Gene vorbestimmt ist. Andererseits können bestimmte Eigenschaften aber auch durch äußere Einflüsse und Gegebenheiten erst zum Vorschein kommen. Bestehende Anlagen können also gefördert oder – im Gegenteil – unterdrückt werden.
    Das heißt übersetzt: Unser Charakter ist zwar einzigartig, aber was uns im Laufe des Lebens passiert, prägt uns. Das bedeutet allerdings auch:
     
Wir haben – hurra! – immer die Wahl, unsere ganz besonderen Eigenschaften aus dem Schattendasein ins Rampenlicht zu rücken!
     
    Auch bei mir war früher einiges noch ganz anders! Im Alter von elf Jahren war ich – zumindest außerhalb meiner schützenden heimischen vier Wände – noch das extrem schüchterne kleine Ballettmädchen. Ein echtes Mauerblümchen, denn durch meine jahrelange ballettbedingte Abstinenz vom sozialen nachmittäglichen After-School-Leben hatte ich mich in eine Außenseiterrolle manövriert.
    Meine Extrovertiertheit beschränkte sich damals auf meinen Tanzpart in der Frankfurter Oper. Da kannte ich weder Lampenfieber noch Scheu vor dem Publikum. Wenn ich über die Bühne trippelte und flog, war mir ja auch vollkommen klar, was ich zu tun hatte; da gab es wenig Raum für Experimente, jeder Schritt und jede Bewegung waren festgelegt.
    Alles andere im Leben fand ich als Neu-Teenie dagegen beängstigend freestyle. Darum hielt ich mich zurück. Ich sprach keine anderen Kinder an; wenn überhaupt, ließ ich mich anquatschen. Der überwiegende Teil der Klasse verhielt sich darum mir gegenüber weitgehend neutral. Ich war nicht direkt unbeliebt, aber auch nicht gerade der Mittelpunkt des Geschehens, sondern lief irgendwo als Randfigur mit. Ich hatte ein paar gute Freundinnen, die sich ähnlich schüchtern verhielten wie ich – das war’s.
    Das war also der einigermaßen unspektakuläre Status quo meines noch nicht so übermäßig lange währenden Daseins auf diesem Planeten, als ich eines schicksalhaften Tages nach Hause kam – und von einer Nachbarin mit der Feinfühligkeit eines Bulldozers auf dem Gehweg vor dem Haus mit den Breaking News überrascht wurde, dass mein Vater bis gerade eben im Treppenhaus hing. Weitere Details erspare ich mir (und Ihnen) an dieser Stelle und springe stattdessen zu dem Moment am Morgen ein paar Tage darauf.
     
     
    DIE VERWANDLUNG
(EINE BEGEBENHEIT FREI NACH S. KRAUSKA)
     
    Ich kam etwas später in die Schule als sonst und wollte eigentlich nichts anderes, als mich an meinen Platz zu setzen und mich so unsichtbar wie möglich zu machen. Das war leider leichter gesagt als getan. Die Augen aller Klassenkameraden waren wie mit Pattex auf mich geheftet. So als hätte ich mich über Nacht in Kermit, den Frosch, und in E.T., den Außerirdischen, in einer Person verwandelt. Als ich so zu meiner Bank schlich und sorgfältig darauf achtete, nicht den Blick vom Linoleumboden zu heben, war es in der 6 d so angespannt still wie sonst eigentlich nur, wenn unser Mathelehrer Herr Günzel die korrigierten Arbeiten austeilte – und das stand heute definitiv nicht auf dem Programm. Die erste Stunde war Französisch, vergleichsweise beliebt, und hatte deswegen zumindest zu Beginn immer den Dezibelpegel einer startenden Concorde. Doch heute drang nur ein bisschen leises Getuschel links und rechts an mein Ohr. Nein, das verhieß nichts Gutes!
    Meine Mama hatte mich vorab damit beruhigt, dass die anderen Kids von meinem Klassenlehrer vorab über den Tod meines Vaters »gebrieft« worden waren, damit ich meine Abwesenheit nicht selbst erklären musste und außerdem niemand ins Fettnäpfchen trat und mir die Sache unnötig noch schwerer machte.
    Ich hatte also die berechtigte Hoffnung, dass ich mich einfach

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