Wenn das Schlachten vorbei ist
nicht hier eingesperrt sein, während ihr da drüben ich weiß nicht was tut . Ich will mitmachen. Was glaubst du denn, warum ich mitgekommen bin?«
Aber das geht ihm zum einen Ohr herein und zum anderen hinaus, denn sie werden sich nicht streiten, nicht hier, nicht heute, und so gibt er keine Antwort. Er stellt seinen Rucksack zwischen Tisch und Bank, öffnet die Deckelklappe und sieht, dass er kaum mehr als halbvoll ist. Wortlos und ohne aufzusehen beugt er sich vor, nimmt Anises Rucksack und schüttet die Hälfte des Inhalts in seinen. Es raschelt leise, als die Tabletten und das Trockenfutter gegen den Nylonstoff rieseln. Wilson stellt seinen eigenen Rucksack daneben und schüttet den Rest hinein. Als sie fertig sind, die Rucksäcke geschultert und die schwarzen Baseballmützen aufgesetzt haben – das war Anises Idee, ebenso wie die schwarzen Jeans und Kapuzenshirts, die etwaige Zeugen verwirren sollen –, zieht er eine Tube Sonnencreme aus der Tasche und hält sie ihr hin. »Das ist nicht fair«, murmelt sie, drückt etwas Creme auf ihre Handfläche, beugt sich vor und verteilt das Zeug mit energischen, kreisenden Bewegungen auf seinem Gesicht und Hals. Ihre Hände sind kalt, ihre Finger sind wie aus Holz und lassen ihn wissen, wie ungehalten sie ist.
Was soll er sagen? Dass es ihm leid tut, dass er es wiedergutmachen wird, dass irgend jemand schließlich das Kommando haben muss? Dass das Leben eben nicht perfekt ist? Dass sie nicht mehr im Kindergarten ist, ebensowenig wie er? Er steht auf, noch während sie die Creme verreibt, er ist mit einemmal ungeduldig und nervös und fürchtet, dass die Sache ihm entgleitet, und alles, was ihm einfällt, ist: »Wenn das Boot sich vom Anker losreißt, startest du den Motor und hältst es auf Abstand zu den Klippen, bis wir wieder da sind. Okay? Hast du verstanden?«
Dann sitzen sie im Beiboot, die Wellen werfen sie hin und her wie Prankenhiebe, obwohl sie noch in Lee der Paladin sind, und Anise reicht ihnen die Rucksäcke hinunter, während er am Starterseilzug des kleinen, gerade mal zwanzig PS starken Außenbordmotors zieht und denkt: Bitte, lieber Gott, lass sie nicht nass werden. Nicht jetzt. Nicht nach all der Mühe. Er stellt sich vor, wie das kleine Boot kentert, das Bild steht ihm ganz deutlich vor Augen: der Schock des kalten Wassers, die harten Wellen, er und Wilson rudernd und schnaufend, während das gekenterte Boot davontreibt und Vitamintabletten im Wert von tausend Dollar auf den Grund der Bucht sinken und alle Ratten auf der Insel aus Mund, Ohren und Anus bluten. Der Wind schmeckt nach Versagen, nach Niederlage und Demütigung. Es ist vorbei , denkt er, vorbei, noch bevor wir überhaupt angefangen haben. Aber Wilson weiß, was er tut, Anise ist geschickt, und der Motor springt beim zweiten Versuch an und stößt eine kleine Abgaswolke aus. Das Beiboot löst sich von der Paladin , und er dreht den Gasgriff und steuert auf den Anlegesteg zu.
Wegen der Klippen ist es die einzige Stelle, wo man anlegen kann. Sie werden dabei gut zu sehen sein, aber der Steg ist leer, und der Himmel zieht sich zu. Er fragt sich, ob der Park Service es bei diesem Wetter riskieren wird, die Hubschrauber loszuschicken. Vielleicht nicht. Vielleicht können Wilson und er den Vergiftern zuvorkommen, den Ratten einen Vorsprung verschaffen. Sie retten. Sie bewahren. Sie beschützen. Niemand sonst wird es tun, soviel ist sicher, niemand außer Anise, Wilson und ihm selbst, niemand außer der FPA, die sich dem Schutz der Tiere verschrieben hat, aller Tiere, seien sie groß oder klein. Keine Ausnahmen. Der Wind bläst ihm ins Gesicht, so dass die Kapuze gegen seinen Hals schlägt, der Steg kommt rasch näher – Aktion, er tritt in Aktion, während alle anderen herumsitzen und jammern –, und er spürt diesen leichten Schwindel in sich aufsteigen, dieses Gefühl von Macht und Triumph, das aus dem Nichts kommt und die Verwirrung, die Wut und die Depression verdrängt, gegen die Dr. Reiser und seine Tabletten machtlos sind. Das hier ist es, was er ist. Das hier.
Bis zum oberen Ende der Klippe und dem Plateau sind es etwa hundertfünfzig Stufen. Seine Stunden auf dem Stepper kommen ihm jetzt zugute. Wilson und er ersteigen einen Treppenlauf nach dem anderen, verstreuen dabei Katzenfutter und Vitamintabletten und achten darauf, auch die unzugänglichsten Stellen zu erreichen, und was macht es schon, wenn viele Tabletten herunterfallen und am Fuß der Klippen landen? Ratten gehen
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