Wenn dein dunkles Herz mich ruft (German Edition)
darauf zu legen.
„Mein Kind, siehst du eine kleine Kiste? Ich weiß nicht mehr, wo ich sie hingetan habe.“
Kimberly sah sich suchend in der Hütte um, bis sie eine kleine Kiste aus hellem Holz fand. „Meinen Sie die?“, fragte sie und drückte sie Crow in die Hände.
Die Alte strich mit ihren sehnigen Fingern darüber und nickte. Der Deckel fiel klappernd nach hinten und Kimberly konnte sehen, dass die Kiste leer war. „Nein“, murmelte die Alte. „Nein, nein. Keine mehr da.“
„Heißt das, Sie können uns doch nicht helfen?“, fragte Frankie.
„Doch, doch. Hör zu, Kind, hör zu. Tiefer im Dschungel ist eine Höhle. An der Quelle wachsen Blumen. Du wirst sie erkennen. Bring mir eine. Bring auch etwas Wasser aus der Quelle mit. Und beeil dich.“
„Was? Aber ich weiß doch gar nicht – “
„Du wirst sie finden. Sie rufen dich. Vertrau mir.“
„Sie rufen mich? Was soll das heißen? Ich – “
„Geh! Ihm läuft die Zeit davon. Geh!“
Kimberly stolperte aus der Hütte zurück ins Licht und lief tiefer in den Dschungel. Sie rufen dich. Was für ein Blödsinn! Blumen hatten keine Stimmen, sie konnten niemanden rufen. Der Boden unter ihr wurde felsiger und kleine Kiesel bohrten sich in ihre Fußsohlen. Die Bäume lichteten sich ebenfalls, die steigende Sonne brannte auf sie nieder. Irgendwo über ihr kreiste eine Möwe und schrie und im Dickicht hinter ihr raschelte und knackte es unablässig. Sie zog ihren Säbel, nur zur Sicherheit, falls sich eines der Tiere überlegen sollte, sie anzugreifen. Haie im Meer konnte man sehen und ihnen rechtzeitig ausweichen und entkommen, wenn man schnell und nah genug am Schiff war. Wilden Tieren im Dschungel nicht.
Sie wusste nicht, ob der Weg, den sie eingeschlagen hatte, der richtige war, aber etwas in ihrem Inneren führte sie. Ihre Füße gingen, ohne dass sie sie wirklich steuerte, und eilten über den Fels, als kannten sie den Weg.
Der Boden wurde kurz wieder eben, bevor er sich absenkte und sie erneut ins Dickicht führte, aber jetzt konnte sie es sehen. Ein schwarzes Loch in einer Steinwand, aus der ein zarter Schimmer kam. Sie rannte los, achtete nicht auf die Wurzeln und Steine, auf die sie trat, wollte nur endlich wieder zurück.
Zu Frankie oder Tyler?, stichelte die Stimme in ihr, aber sie ignorierte sie. Auf die Frage hatte sie keine Antwort.
Vor dem Höhleneingang hockte sie sich hin und kroch durch den flachen Tunnel ins Innere. Sie hörte das Plätschern der Quelle, bevor sie sie sah. Das zarte, rosafarbene Licht erfüllte die Höhle und die Wasserspiegelung an der Decke war wie ein Himmel während der aufgehenden Sonne.
Auf dem Wasser schwammen die Blumen, weswegen sie hergekommen war. Die Blüten waren lang und von einem tiefen, zarten Rosa, und so dicht, dass sie beinahe eine Kugel bildeten. In der Mitte, wo die Blütenblätter auseinander fächerten, war ein weißer Stempel, der beinahe Ähnlichkeit mit einem Schwert hatte, das in die Höhe zeigte. Die Blumenköpfe schwammen in einem Quellbecken, das klar und hell war, aber dennoch so tief, dass sie den Grund und die Wurzeln der Blüten nicht ausmachen konnte. An der Oberfläche war das Wasser von ihrem rosa Schimmern erfüllt und ihr betörender Duft machte Kimberly schwindelig. Sie wollte die Augen schließen, sich ins Wasser fallen lassen und nie wieder herauskommen. Sich von den rosa Blüten umarmen lassen und ins Nichts sinken. Sie spürte das Leben in ihnen pulsieren, die Wärme und Reinheit, die von ihnen ausging, und wollte daran teilhaben.
Mit einem Kopfschütteln vertrieb sie den Nebel aus ihren Gedanken und beugte sich vor, um zwei der Blütenköpfe mit ihrem Säbel abzuschneiden. In dem Moment bemerkte sie etwas unten am Grund, den sie nun, aus dieser Perspektive sehen konnte. Zuerst dachte sie, es wäre eine Spiegelung der Unterseite der Blüten, aber das konnte nicht sein. Das, was sie dort unten sah, war schwarz und hatte eine andere Form. Ein kalter Schauer lief Kimberly über den Rücken. Die Blüten in der Tiefe schienen zu pulsieren, genauso wie die rosa Blumen hier oben, aber das Wasser kräuselte sich nicht.
Kimberly dachte nicht nach, als sie nun handelte. Bevor sie sich überlegt hatte, was sie da eigentlich tat, war sie bereits in das Quellbecken geglitten.
Das Wasser umfing sie wie eine lang ersehnte Umarmung, bedeckte sie mit kribbelnden Berührungen wie tausend Küsse und sandte Wellen voll Wärme durch ihren Körper. Kimberly hielt die Luft an,
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