Wenn dein dunkles Herz mich ruft (German Edition)
sie ihrem Ziel immer näher, ihrem Zufluchtsort und Heimathafen, dem einzigen Ort, nach dem Kimberly sich jetzt sehnte. Sie wollte fort von dem Schiff, dass so kaputt war wie die Gemüter und das Vertrauen an Bord. Tortuga würde sie ablenken und ihr ein Stück Normalität zurückgeben. Ein Stück des alten Lebens, das sie kannte und mochte, und in dem sie keine Angst hatte.
Zumindest hoffte sie das.
Frankie begab sich zu ihnen und half ebenso schweigsam wie die anderen. Das war nicht die Zeit für Worte, denn die konnten hier nicht helfen. Die Beschäftigung der Hände vertrieb die Trauer um Ethan und den Schrecken darüber, dass die Spanier sie so hatten überraschen können. Dass sie angreifbar waren, wenn es windstill war, denn es konnten weitere Spanier kommen.
Sie näherten sich ihrem Ziel langsam und schleppend, die Erschöpfung und Angespanntheit der Crew war beinahe greifbar und es war gut, dass sie bald eine längere Rast einlegen konnten. Wo sich die Mannschaft satt essen und betrinken und frei fühlen konnte, bevor sie wieder ans Schiff gefesselt wurde. Wo sie ihre Bedürfnisse in den Freudenhäusern ausleben konnte, mit so vielen Huren, wie sie nur wollte.
Kimberly erschrak vor ihren eigenen Gedanken, früher hatte sie das Schiff niemals als Gefängnis, sondern als Zuhause angesehen. Aber seitdem war zu viel passiert, zu viel Misstrauen und Zwietracht herrschte an Bord und zu verrückt war ihr Captain geworden. Oder vielleicht war er auch einfach nur selbstsüchtiger als sie gedacht hatte.
Die Wellen rauschten und schlugen klatschend gegen die Schiffswand, der Wind bauschte die Segel und fuhr unter ihre Kleidung, während die Nacht verstrich und die Holy Devil der Insel näher und näher kam.
Es war bereits hell geworden, als Olivers Schrei über das ganze Deck hallte und eine Welle der Erleichterung über die Mannschaft lief. „Land in Sicht!“
Nicht nur das, es war sogar schon so nah, dass sie die Palmen bewachsene Küste sehen konnten, das türkisfarbene flache Wasser und den weißen Sandstrand. Wie lange waren sie nicht mehr in einen Hafen eingelaufen? Hier war es egal, ob sie Kaperbriefe hatten oder nicht, Tortuga war ihre Heimat, die sie immer aufnehmen würde. Die Luft veränderte sich, Kimberly glaubte, Rum und Zigarren riechen zu können, und atmete den Geruch tief ein. So vertraut.
„Bring Tyler her“, rief Kimberly Frankie zu und kletterte auf die Takelage, um besser sehen zu können.
Crow
Die Dunkelheit um sie herum veränderte sich, als sich leise Schritte näherten und ihr altes Herz begann vor Aufregung zu flattern. Sie spürte eine Energie, die sie seit Jahren nicht mehr gespürt hatte, seit…
Nein, es war nicht die gleiche, sie war anders.
Crow runzelte die Stirn. War es möglich, dass …?
Ihr Wurzelstab bog sich unter ihrem Gewicht, als sie einige Schritte auf die Energie zuging, ein weißes, helles Licht vor ihren leeren Augen.
Das Bild ihrer Tochter erschien vor ihr, ihre seidigen Locken, die strahlend grünen Augen und das sanfte, gutmütige Gesicht. Sie hatte auch so gestrahlt, von innen heraus geleuchtet, als würde ihr Herz aus gleißendem Licht bestehen.
Crows Herz wurde schwer bei der Erinnerung an sie, sie war überschattet von schrecklichen Ereignissen, von Schmerz und Verlust und … Tod. Sie würde ihre Tochter nie wieder sehen, nie wieder ihr Lachen hören oder ihre warme Hand auf sich spüren. Nie wieder.
Woher kam dann dieses Licht? Wessen Aura leuchtete ebenso sehr wie Melindas?
Die Schritte liefen weiter auf sie zu, es waren drei Paar Füße, die sich näherten. Zwei gingen, eines schlurfte, als schleifte man die Person über den Boden.
Die weiße Energie streifte sie wie ein Atemzug, ließ sie erschaudern und schickte eine unglaubliche Wärme durch ihren Körper. „Mein Kind“, flüsterte sie und hasste dabei den Klang ihrer schnarrenden Stimme. Ihre Hand schnellte vor und schloss sich um den Arm eines Mädchens. „Mein Kind, brauchst du Hilfe?“
„Einen Bader“, erwiderte eine erstaunlich dunkle, heisere Stimme, als hätte die junge Frau schon zu viel geschrien und geweint, und trotzdem hätte sie sie überall erkannt. Es war, als stünde ihre Tochter erneut vor Crow, aber jünger als damals und verändert.
„Ich kann euch helfen. Komm, mein Kind, komm.“
Sie spürte das Zögern der Frau und wusste, obwohl sie es nicht sehen konnte, dass sie ihren Begleitern fragende Blicke zuwarf. Ihre Augen waren blind, aber gewisse Dinge konnte
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