Wenn dein dunkles Herz mich ruft (German Edition)
Kimberly wollte bei Nachtanbruch nicht mehr im Dickicht umherstreifen. Die Gefahr, sich zu verirren, war viel zu groß, und sie fürchtete sich vor den Tieren, die sich vielleicht dort versteckten und in der Dunkelheit hervorkamen.
„Wohin willst du?“
Kimberly hielt schnaufend inne und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Über ihren Köpfen zirpte und surrte es und die Blätter raschelten im Wind. „Zu Crow.“
„Der Frau, von der du das Messer hast? Warum?“
„Ich werde sie fragen, was passiert, wenn wir den Dolch benutzen. Ich traue ihr nicht. Ich will keine bösen Überraschungen.“
„In Ordnung. Weißt du denn noch, wo sie wohnt?“
„Nicht genau, aber wir finden die Hütte schon. Spätestens wenn ich unsere alten Spuren sehe, weiß ich, wo es lang geht.“
Sie irrten eine Weile durch das Dickicht, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft. Kimberly hätte gerne gefragt, was passiert war, dass Tyler sich so anders verhielt, aber sie wagte es nicht. Sie hatte Angst, wie er reagieren würde. Würde er nicht mehr wissen, wie er sich vorher verhalten hatte? Würde er wieder so kühl werden wie zuvor? Würde er sie auslachen?
Das ist unwichtig. Hauptsache, er ist jetzt nicht mehr so.
Das grüne Dämmerlicht vereinfachte die Suche nach ihren Spuren nicht gerade und die Geräusche in der Umgebung wurden lauter und hektischer. Kimberly zuckte vor einem Knacken im Unterholz zurück und griff automatisch nach Tylers Hand, so, wie sie es früher immer bei Gavin getan hatte. Er lächelte, amüsiert über ihre Schreckhaftigkeit, ließ sie aber nicht los.
Irgendwie schafften sie es, auf ihre alte Fährte zurückzukommen und erreichten bald Crows versteckte Hütte. Kimberly blieb in sicherer Entfernung stehen und wartete ab, ob etwas passierte. Sie wusste nicht, wie die Alte reagieren würde, wenn sie erneut mit Tyler hier auftauchte. Im Inneren rumpelte und krachte es laut, ein erstickter Schrei ertönte. Kimberly machte einen Schritt auf die Hütte zu, aber Tyler hielt sie zurück. Der Blättervorhang wurde beiseite gerissen und ein Mann stürmte hervor. Seine Hände waren voller Blut, aber etwas anderes riss Kimberlys Aufmerksamkeit an sich. Seine roten Augen.
Sie zuckte zurück, ein Schrei stieg in ihrer Kehle auf, wurde aber erstickt, als sie den Mann wirklich ansah. Und ihn erkannte. Entsetzten breitete sich in ihr aus.
„Oliver“, flüsterte sie, als er an ihnen vorbei rannte und im Dickicht verschwand.
Sie riss sich los und stürmte zu der Hütte, riss den Blättervorhang zur Seite und rannte ins Innere. Crow lag auf dem Boden, ihre blinden Augen waren geschlossen. Um sie herum breitete sich Blut aus und bildete ein bizarres Muster auf dem Boden. In ihrer Hand hielt sie eine rosafarbene Blüte, deren Blätter noch sacht schimmerten.
Aelyza. Sie hat gedacht, Oliver war ein Dämon.
Wie bei Tyler…
Behutsam nahm sie ihr die Blüte aus den toten Fingern und verbarg sie in ihrer Hosentasche. Sicher ist sicher.
Tyler betrat die Hütte ebenfalls, sah die Leiche und legte Kimberly eine Hand auf die Schulter. Seine Finger drückten sie sanft. „Kim…“
„Er hat seine Drohung wahr gemacht. Anór hat gesagt, er benutzt die Crew und er hat es getan. Wir sind nirgendwo mehr sicher.“ Ihre Hände zitterten.
„Komm. Lass uns erst einmal von hier verschwinden.“
„Nein, warte. Vielleicht ist hier noch irgendetwas, das uns weiterhelfen kann.“ Sie rappelte sich hoch und durchsuchte die Hütte nach brauchbaren Dingen, aber außer ein paar Gefäßen, deren Aufschrift sie nicht lesen und die Tyler nicht übersetzen konnte, fanden sie nicht viel. Alte Schriften, die ihnen nicht weiterhalfen. Eine Karte. Schreibfedern und leere Kisten. Kleidung und einige Kokosnüsse und Früchte.
Doch dann entdeckte sie noch etwas. Etwas, das ihr Herz zum Stillstand brachte, nur damit es danach mit doppelter Geschwindigkeit weiterschlagen konnte. Etwas, das ihr alles Blut aus dem Gesicht weichen ließ, das sie so schwindelig machte, dass sie einen Moment lang glaubte, ohnmächtig zu werden.
Etwas, das ihre Welt erneut erschütterte.
Es war eine Zeichnung einer Frau.
„Kim?“ Sie fuhr zusammen, als Tyler sie berührte und hatte gar nicht bemerkt, dass sie am ganzen Leib zitterte. Heiße Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie das Bild in die Hand nahm und einen erneuten Blick auf Crow warf.
„Nein“, wisperte sie. Ihre Gedanken rasten. „Nein, nein, nein.“
„Kim, was hast du?“
„Das kann nicht
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