Wenn dein dunkles Herz mich ruft (German Edition)
sein!“, schluchzte sie und stürzte aus der Hütte. Die schwüle Luft war wie eine Wand, gegen die sie rannte und noch bevor sie den ersten Baum erreichte, übergab sie sich. Für einen Moment drehte sich die Welt viel zu schnell, dann blieb sie stehen.
„Kimberly, was ist passiert? Was ist das?“
„Komm mit“, würgte sie hervor und rannte in den Dschungel, in die Richtung, von der sie hoffte, dass dort die Holy Devil lag. Der Weg verschwamm vor ihren Augen zu einem grünen Brei der Bedeutungslosigkeit. Das Dickicht machte ihr keine Angst, jetzt nicht.
Tyler holte sie ein, schwieg aber, bis sie das Schiff erreicht hatten. Sie stürmten über das Deck und zu den Schlafkojen. Kimberly ließ sich auf die Knie fallen und wühlte in der kleinen Kiste unter ihrer Hängematte, in der sich hauptsächlich Kleidung befand. Ihre Finger ertasteten abgegriffenes Leder und zogen behutsam ein abgenutztes, zerschlissenes Büchlein hervor.
In vorsichtiger Eile blätterte sie die Seiten um, bis sie fand, wonach sie suchte. Es war eine Kohlezeichnung einer jungen Frau. Lange, dunkle Locken flossen wie ein Vorhang um ihr Gesicht und rahmten es ein. Es war schmal, mit markanten Wangenknochen und einer kleinen Stupsnase, die von Sommersprossen umgeben waren. Die Zeichnung ließ ihre Haut wie dunkles Porzellan wirken und ihre Augen strahlten voller Güte und Lebensfreude.
„Sie sieht aus wie du“, flüsterte Tyler.
„Das ist meine Mutter“, sagte Kimberly und biss sich auf ihre zitternde Unterlippe. Mit bebenden Fingern faltete sie das Blatt auseinander, das sie bei Crow gefunden hatte und legte es neben die Zeichnung.
Tyler schnappte nach Luft. „Aber … Kim. Das ist …“
„Die gleiche Frau?“, beendete sie seine Frage und verlor endgültig den Kampf gegen die Tränen. „Crow hat sie gekannt. Was wenn … was wenn sie meine Großmutter war?“
Tyler schloss die Arme um sie und zog sie an sich, flüsterte ihr beruhigende Worte zu. Sie barg den Kopf an seiner Brust und lauschte seinem kräftigen, gleichmäßigen Herzschlag, der sie langsam beruhigte. Ihr Atem wurde ruhiger und nach und nach versiegte der Tränenstrom. Seine Haut duftete nach Meer und Kokosnuss, Gerüche, die sie kannte und liebte, und ein wenig nach etwas anderem, das sie nicht benennen konnte, aber schon einmal gerochen hatte. Doch dieser Duft war so zart, dass sie ihn nicht greifen konnte und bald ließ sie es sein, wissen zu wollen, woher er kam. Tylers Finger strichen behutsam durch ihre Locken und über ihre Schultern.
Sie ließ sich von dem Gefühl der Geborgenheit und dem sanften Prickeln, das Tylers Berührung durch ihren Körper schickte, einlullen und entspannte. Als sie spürte, wie er ihr einen zarten Kuss aufs Haar hauchte, schloss sie die Augen. Für diesen einen Augenblick genoss sie den Moment und die Ruhe. Für diesen Moment genügte ihr ein Kuss aufs Haar.
Wie ein Sturm
Die beiden waren eingeschlafen, noch bevor die Sonne endgültig im Meer versunken war und hatten sich nicht die Mühe gemacht, in ihre eigenen Hängematten zu kriechen. Viel zu sehr genossen sie die beruhigende, warme Nähe des anderen, genossen für kurze Zeit das Gefühl, nicht allein zu sein. Auch wenn das bedeutete, auf den harten Planken zu liegen.
Es tat gut, jemanden zu haben, dem man vertraute. Sie kuschelte sich enger an seine Brust und spürte im Halbschlaf, wie sein Atem über ihren Kopf strich. Sein süßlicher Kokosgeruch hüllte sie ein und zog sie zurück in die sanften Arme des Schlafes.
Die Träume, die sie heimsuchten, gönnten ihr diesen Frieden jedoch nicht.
Oliver rannte mit blutverschmiertem Gesicht auf sie zu. Er hob das Messer, das er in der Hand hielt. Kimberly wollte weglaufen, aber sie war wie erstarrt. Tyler war zu viele Schritte entfernt. Er schrie etwas. Oliver hielt inne, drehte sich zu ihm um. Packte das Messer fester und lief auf ihn zu. Kimberly streckte die Hand aus, aber sie konnte nichts tun.
Tyler stieß Oliver zu Boden und wand das Messer aus seinem Griff. Kimberly wollte zu ihm laufen, aber etwas hielt sie zurück. Tyler blickte auf und sein Blick veränderte sich. Der Bernstein ging in Flammen auf, brannte, brannte, brannte und ließ nichts als Asche zurück. Die schwarzen Flocken segelten zu Boden und gaben den Blick auf neue Augen frei. Milchig-weiße Augen, durchzogen von violetten Adern.
Er bleckte die Zähne zu einem boshaften Grinsen, hob das Messer auf und kam auf Kimberly zu. Sie war noch immer wie
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