Wenn der Acker brennt
Alptraum, den man schnell wieder vergisst. Ich war so verdammt wütend, weil du mich durcheinandergebracht hast.« Rick hatte beschlossen, Christine alles zu erzählen, was er über die Vergangenheit wusste. Sie hatte ein Recht darauf.
»Ich hatte nicht die Absicht, dich wütend zu machen.«
»Das weiß ich. Das Gefühl, das du in mir ausgelöst hast, ist allein mein Problem. Schau, das ist die Tür zum ehemaligen Scheunenkeller.« Er deutete auf ein in die Erde eingelassenes verwittertes Holz mit einem Metallring, wandte sich aber sofort wieder ab.
»Was war mit diesem Mann, den du gesehen hast?« Christine saß im Schneidersitz neben ihm und betrachtete ihn von der Seite. Sie spürte, wie weh es ihm tat, sich zu erinnern.
»Meine Einbildung? Der fantasyman , wie Jeremias ihn nannte?«
»Erzähle mir von ihm, erzähle mir, was in der Scheune passiert ist.«
»Es gibt Dinge, die werden dir nicht gefallen.«
»Rick, bitte.«
»Weißt du, was die Buchstaben unserer Band bedeuten?«
»Ich nehme an, sie stehen für Alm.«
»Und die Punkte dazwischen?«
»Keine Ahnung, vielleicht ein geheimer Code?«
»Ja, es ist ein Code, aber außer Johann und mir weiß niemand, was er bedeutet. Amata Lachner Memorial.«
»Wie hast du erfahren, dass Amata deine Halbschwester ist?«
»Nach Mamas Unfall, oder was auch immer es war, hat plötzlich jeder im Dorf darüber gesprochen. Die einen ganz offen, die anderen hinter vorgehaltener Hand. Die meisten haben sich nur den moralischen Hut aufgesetzt, aber einige haben darauf herumgeritten, dass ich für den Tod meiner Halbschwester verantwortlich sei.«
»Wie dumm können erwachsene Menschen sein, einem kleinen Jungen solche Vorwürfe zu machen?«
»Irgendjemand muss immer an den Pranger gestellt werden, wenn etwas passiert, mit dem die Leute nicht fertig werden. Es spielt keine Rolle, wer. So funktioniert die Welt, richtig?«
»Ja, ich denke schon. Es ist eben anstrengend, sich eine eigene Meinung zu bilden, für viele wohl zu anstrengend. Wie ist es zu dem Brand gekommen?«
»Gut, dann stellen wir uns eben der Nacht des Unheils«, überwand sich Rick, und seine Gedanken glitten zurück in die Vergangenheit. »Wie immer, wenn Amata und ich aus dem Dorf kamen, nahmen wir die Abkürzung durch Denningers Felder. Es dämmerte schon, als wir die Scheune erreichten. Amata blieb stehen und versuchte zum wiederholten Mal vergeblich, den Ring loszuwerden, den Jeremias ihr angesteckt hatte. Ich habe sie gefragt, ob es ein Verlobungsring sei und Jeremias sie nun heiraten wolle, aber sie hat nur gelacht.«
»Wusste sie, dass du in sie verliebt warst?«
»Ich denke schon. Sie kannte mich besser als jeder andere, und sie war für mich der Mensch, der mir am meisten bedeutete. Ich dachte, ich sei verliebt, aber vielleicht war es auch nur die Art Liebe, die ein kleiner Junge für seine große Schwester empfindet.«
»Vorausgesetzt, die große Schwester trampelt nicht auf dem kleinen Bruder herum, gefühlsmäßig, meine ich.«
»Amata hat mich immer ernst genommen, trotz des nicht gerade geringen Altersunterschieds. Das war vermutlich der Grundstein unserer Beziehung.«
»Wer von euch ist auf die Idee gekommen, in die Scheune zu gehen?«
»Ich.«
»Was wolltest du da?«
»Ich hatte Denninger am Nachmittag beobachtet, wie er in der Scheune verschwand. Ich lief ihm nach, weil ich noch Zeit hatte, bis ich zu Amata wegen der Nachhilfestunde konnte und mich langweilte. Vom Tor aus sah ich, wie er Strohballen zur Seite rollte, eine Holztür freilegte, die im Boden eingelassen war, und sie langsam aufzog. Bis dahin hatte ich keine Ahnung, dass es unter der Scheune einen Keller gab.«
»Die Entdeckung hat dich neugierig gemacht?«
»Er kam mit zwei Schnapsflaschen unter dem Arm wieder aus dem Keller herauf. Ich wollte zu gern wissen, was er da unten noch so alles aufbewahrt.«
»Hat er dich gesehen?«
»Nein, ich bin weggelaufen. Als mir Amata dann später auf unserem Weg ins Café erzählte, dass Georg zu einer Landwirtschaftsmesse gefahren sei und erst am nächsten Tag wiederkommen würde, fand ich, dass es eine gute Gelegenheit wäre, das Geheimnis des Scheunenkellers zu lüften.«
»Aber allein hast du dich nicht getraut.«
»Nein, ich wollte, dass Amata mitkommt, aber sie wollte nicht. Sie redete auf mich ein, es sein zu lassen. Aber ich war nun einmal fest entschlossen, den geheimen Keller zu erkunden. Schließlich ging ich allein in die Scheune, und Amata blieb erst mal
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