Wenn der Acker brennt
Wahrscheinlich wäre sie zu einer fetten Hausfrau mit drei quäkenden Kindern mutiert, hätte sich Barbara nicht ihrer angenommen. Sie schleppte Maria zur Gymnastik und zum Yoga, brachte ihr bei, wie man sich kleidete, dass es interessantere Lektüre als Kochbücher gab und das Leben nicht am Alpenrand endete. Jeremias war seiner Frau unendlich dankbar für dieses Geschenk. Schade, dass er ihr das nicht sagen konnte. Barbara war eine wirkliche Dame, natürlich wusste sie von seiner Affäre, aber sie erwähnte sie mit keinem Wort und erpresste ihn auch nicht damit. Stattdessen dachte sie sich die Welt schön. Dass die beiden Frauen sich nahestanden, erhöhte für ihn nur noch den Reiz. Aber auch Christine Weingard gefiel ihm, erst recht, nachdem er herausgefunden hatte, wer sie war. Amata und Christine, die eine Vergangenheit, die andere Gegenwart, und er könnte die Verbindung zwischen ihnen sein.
Das Telefon, das neben ihm auf dem Bett lag, klingelte. Jeremias sah auf das Display. Der Anruf kam vom Denningerhof. »Ja, bitte?«, meldete er sich und legte die freie Hand auf die Pistole, während er in das Telefon hineinhorchte.
»Manni Schwabe hier«, sagte eine tiefe Männerstimme.
»Wer?«, stellte er sich unwissend. Wenigstens stand der Mistkerl nicht gleich vor seiner Tür, wie er befürchtet hatte.
»Stell dich nicht blöd, Rimbar. In einer halben Stunde auf dem Denningerhof. Wenn du nicht auftauchst, geht es schlecht für dich aus.«
»Wie blöd kann jemand sein, mir drohen zu wollen?«, murmelte Jeremias, nachdem Schwabe aufgelegt hatte. Er blieb noch einen Augenblick liegen, verschränkte die Arme im Nacken und betrachtete die Fotografie, die an der Wand gegenüber dem Bett hing.
Sie zeigte die drei Höfe, die früher vor dem Dorf gestanden hatten. Zur Zeit der Aufnahme musste es Frühling gewesen sein. Die Kirschbäume vor dem Lachnerhof standen in voller Blüte. Amata trug ein langes weißes Kleid, dazu einen Strohhut mit rosafarbenem Seidenband, und lehnte mit verträumtem Blick an der Linde neben dem Haus.
»Verdammt.« Jeremias spürte den Kloß im Hals – wie immer, wenn er das Bild zu lange ansah. Trotzdem brachte er es nicht fertig, es auszutauschen. Er hatte entschieden, dass er sich an Amata erinnern wollte.
Nach einer Weile erhob er sich, kleidete sich in aller Ruhe an und steckte die unregistrierte Pistole ein, die sein Vater ihm zu seinem achtzehnten Geburtstag geschenkt hatte. Klein, in mattem Silber und äußerst präzise.
»Wenn du mal in echte Schwierigkeiten gerätst«, hatte der Vater gesagt und sie ihm feierlich in einer schwarzen Samtschachtel überreicht.
Ich danke dir, Vater, dass du immer so umsichtig warst, was deine Feinde betrifft, dachte Jeremias. Er überprüfte das Magazin der Pistole, steckte sie in die Innentasche seines dunklen Jacketts und verließ das Haus. Kurz darauf bog er am Steuer seines Lamborghini in die Hauptstraße von Sinach, trat ein paarmal das Gas durch und entlockte den Anwohnern, die ihre Fenster geöffnet hatten, lautstarke Flüche.
Als er seinen Wagen schließlich direkt vor der Apotheke parkte, wusste bereits das halbe Dorf darüber Bescheid, dass der Bürgermeister Maria während der Abwesenheit ihres Mannes einen Besuch abstattete. Jeremias drückte auf den oberen Klingelknopf. Gleich darauf hörte er Maria aus der Wohnung im ersten Stock die Treppe herunterkommen, dann ging das Licht in der Apotheke an.
»Komm rein«, flötete Maria, als sie die Tür öffnete.
»Wie lange bleibt Karl fort?«, fragte Jeremias und drückte die schwere Holztür von innen zu.
»Bis morgen, er übernachtet in der Stadt.«
»Wunderbar, ich habe allerdings noch etwas zu erledigen«, sagte er und ließ seinen Blick über Maria gleiten.
Sie trug ein cremefarbenes knielanges Kleid, das sich eng an ihren Körper schmiegte. Er bemühte sich, nicht hinzusehen, aber ihre Konturen zeichneten sich so deutlich unter dem dünnen Stoff ab, dass es ihm unmöglich war, die Hände von ihr zu lassen. Er umfasste ihren Hinterkopf, packte ihr Haar, zog sie ein Stück von sich weg und betrachtete sie. Das Verlangen in ihren Augen kostete ihn seine Beherrschung. Manni Schwabe musste sich gedulden, es gab Wichtigeres. Mit der Hand strich er zärtlich über Marias Gesicht, küsste ihre nach Honig duftenden Ohrläppchen und streichelte ihr Dekolleté.
»Nicht hier«, flüsterte sie, als er sie an sich riss und an den Tresen drängte. Sie unternahm einen zaghaften Versuch, sich ihm
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