Wenn der Acker brennt
Schrank gesessen?« Christine wollte endlich wissen, wie es zu dem tragischen Unglück gekommen war.
»Vielleicht noch zehn Minuten. Ich habe Amata gefragt, ob sie wüsste, wer der Mann war. Ich war mir sicher, dass es sich nicht um Georg Denninger handelte. Der Mann war viel größer und kräftiger als er, das konnte ich schon an der Form seiner Hand sehen. Amata hat behauptet, sie hätte keine Ahnung, aber ich habe ihr nicht geglaubt. Sie wusste es.
Als wir uns endlich entschlossen, den Keller zu verlassen, hörten wir ein bedrohliches Knistern. Amata fragte panisch, ob ich die Öllampe gelöscht hätte, die sie mir mitgegeben und die ich oben abgestellt hatte. Ich war mir sicher, dass ich es getan hatte. Hätte die Lampe noch gebrannt, wäre der Mann doch davon ausgegangen, dass sich außer ihm noch jemand in der Scheune aufhält, aber er hatte sich ganz offensichtlich unbeobachtet gefühlt.«
»Was ihr gehört habt, war das Knistern der Flammen oben in der Scheune, nicht wahr?« Christine spürte, wie Ricks Atem sich beschleunigte, so als durchlebte er die Katastrophe noch einmal.
»Die Leiter lag zerbrochen auf dem Boden, als wir die Öffnung erreichten. Keine Ahnung, ob der Mann sie mit Absicht zerstört hatte. Jedenfalls konnten wir nicht mehr in die Scheune hinaufklettern, aus der jetzt immer deutlicher das Prasseln des Feuers zu hören war. Es würde nicht lange dauern, bis sie ganz in Flammen stand. Ich drehte fast durch. Ich war es gewesen, der unbedingt in die Scheune gewollt hatte, und nun saßen wir fest und würden im Feuer sterben.
Aber Amata gab nicht auf. Sie befahl mir, auf ihre Schultern zu klettern. Ich sollte mich nach oben ziehen und versuchen Hilfe zu holen. Zuerst hatte ich Angst. Ich konnte die Flammen sehen, sie krochen schon an den Wänden der Scheune hoch. Ich wollte nicht allein dort hinaufsteigen und begann zu weinen. Ich war doch erst acht Jahre alt! Da hatte Amata die rettende Idee. Sie schenkte mir ihr Taschenmesser, ein Schweizer Messer, das sie immer bei sich trug und ich schon lange bewunderte. Das Messer verlieh mir neuen Mut.
Amata stemmte mich mit aller Kraft hoch, bis ich mich mit den Unterarmen in der Öffnung abstützen und nach oben ziehen konnte. In der Scheune war es entsetzlich heiß, der beißende Rauch nahm mir die Sicht. Die Flammen hatten schon die meisten Strohballen entzündet. Der einzige noch freie Weg war der zum Fenster. Ich drehte mich noch einmal zu der Kelleröffnung um, aus der Amata mir zurief, mich zu beeilen. Also begann ich zu rennen, kletterte auf das Buffet und stieß das Fenster auf. Ich weiß nicht mehr, warum, aber bevor ich mich draußen fallen ließ, sah ich zum Scheunentor. Die Strohballen, die dort wie eine Wand aufgestapelt waren, kippten im selben Moment nach vorn und begannen lichterloh zu brennen. In der Ecke, die sie zuvor verdeckt hatten, glaubte ich für einen Augenblick einen Menschen in gelber Jacke liegen zu sehen. Ich redete mir ein, dass es nur eine Vogelscheuche war. Denninger stellte um diese Jahreszeit immer Vogelscheuchen auf, alle Bauern taten das. Ich beschloss, mich nicht weiter darum zu kümmern, schließlich musste ich Hilfe holen. Ich ließ mich auf den Strohhaufen draußen vor der Scheune fallen, sprang wieder auf und rannte nach Hause.
Vor Angst taumelnd stürzte ich in die Diele und rief nach meinen Eltern. Das Feuer, in dem ich Amata zurückgelassen hatte, die merkwürdige Vogelscheuche und der Krankenwagen, den ich gehört hatte, das alles war zu viel für mich. Ich sehnte mich danach, dass meine Mutter mich in die Arme nahm, mich tröstete und alles wieder in Ordnung brachte. Aber sooft ich auch nach ihr rief, ich erhielt keine Antwort. Nach einer Weile bemerkte ich, dass alle Fenster im Haus weit offen standen und es merkwürdig roch. Irgendwann hörte ich das vertraute Schnarchen meines Vaters und rannte die Treppe hinauf ins Schlafzimmer meiner Eltern. Als ich die Tür öffnete und der Geruch von Schweiß und Alkohol in meine Nase drang, wusste ich gleich, was los war. Mein Vater lag angetrunken im Bett und schlief. Wieder einmal.
Ich habe geschrien, ihn gerüttelt, aber er wachte nicht auf. In meiner Not holte ich einen Eimer mit kaltem Wasser und goss es über sein Gesicht. Bevor er lostoben konnte, musste er erst einmal nach Luft schnappen. Die Zeit nutzte ich, um ihm klarzumachen, wie dringend ich ihn brauchte. Er begriff sofort, verständigte die Feuerwehr und rannte mit mir zur Scheune.
»Aber es
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