Wenn der Acker brennt
Christine würde alles daransetzen, ihr diesen letzten Wunsch zu erfüllen.
»Amatas Tagebuch wird kaum als Beweis taugen. Kein Gericht der Welt wird darauf eine Anklage stützen.«
»Aber sie müssen doch festgestellt haben, dass Judith an einer Schusswunde gestorben ist? Wurde denn nie in dieser Richtung ermittelt?«
»Wenn niemand einen Verdacht hatte, wurde die Leiche vermutlich nur oberflächlich obduziert. Sie haben das Offensichtliche angenommen. Dass die Frau ein Brandopfer war. Niemand ist wohl damals auf die Idee gekommen, dass sie schon tot war, bevor das Feuer ausbrach.«
»Aber sie hätten doch wenigstens versuchen müssen ihre Identität festzustellen.«
»In Krimis funktioniert das immer, aber im wahren Leben hilft oft nur der Zufall. Hätte es eine passende Vermisstenanzeige gegeben, hätten sie sich vermutlich mehr Mühe gemacht.«
»Sie hat auf Denningers Hof gearbeitet, wenigstens in Sinach hätte sie doch jemand vermissen müssen.«
»Erntehelfer waren nicht unbedingt im Dorf bekannt. Ich kann mich auch nur noch vage an Judith erinnern. Für mich war das zweite Opfer der Brandnacht bis heute eine Landstreicherin, deren Identität nie festgestellt wurde.«
»Wir müssen mit Georg Denninger reden. Wenn wir ihm von Amatas Aufzeichnungen erzählen, fällt ihm vielleicht noch etwas ein, was ihm bisher nicht wichtig erschien, aber nun einen Sinn ergibt. Auf jeden Fall sollte er wissen, dass die unbekannte Tote nun einen Namen hat. Du hast gesagt, dass du die Bisswunde an der Hand des Mannes gesehen hast. Hast du das zu Protokoll gegeben?«
»Das weiß ich nicht mehr. Vielleicht habe ich mich auch erst später daran erinnert.«
»Ruf Kommissar Burger an und frage ihn, ob er deine Zeugenaussage über den Scheunenbrand schon bereitgelegt hat.«
»Ich glaube nicht, dass er um diese Uhrzeit noch auf dem Revier ist.«
»Vielleicht macht er ja Überstunden, oder du versuchst es bei ihm zu Hause.«
»Okay, gibst du mir dein Telefon?«
»Das ist in meiner Tasche, und die liegt auf Denningers Terrasse.«
»Dann müssen wir den Anruf eben auf später verschieben.«
»Warum? Was ist mit deinem Telefon?«
»Das liegt im Hotel in Garmisch. Ich bin heute Morgen ein bisschen überstürzt aufgebrochen, wie du dir vorstellen kannst.«
»Zu dumm.«
»Es gab Zeiten, da haben die Menschen ganz ohne Mobiltelefon überlebt. Und nicht mal schlecht.«
»Kaum vorstellbar«, seufzte Christine.
»Was Jeremias betrifft, sollten wir genau überlegen, wie wir vorgehen. Wir haben bisher nichts Verwertbares in der Hand, womit wir den Fall wieder aufrollen könnten.« Rick wusste, dass sie Geduld brauchen würden, wenn sie etwas gegen einen so einflussreichen Mann wie Jeremias Rimbar ausrichten wollten.
»Er wird sich aus allem herauswinden können, nicht wahr, das ist es doch, was du denkst?«
»Richtig, er wird sich nicht einfach geschlagen geben.«
»Lass uns Amatas Aufzeichnungen noch einmal lesen. Vielleicht finden wir etwas, worauf wir zusammen mit Georg Denninger aufbauen können. Dieses Mal werde ich lesen, und du hörst zu.«
»Okay, fang an.« Während Christine zu lesen begann, schloss Rick die Augen, um wieder in die Ereignisse von damals einzutauchen.
21
Der Garten der Apotheke war von einer dichten Hecke umgeben, die von außen niemandem Einblick gewährte. Jeremias musste nur ein paar Schritte machen, um das Gartentor leise aufzuschieben und in den angrenzenden Wald zu verschwinden. Von dort führte ein schmaler Pfad zum Denningerhof. Zwanzig Minuten später traf Jeremias dort ein.
Manni Schwabe hatte sich auf seine Ankunft vorbereitet. Bis auf die Lampe neben der Haustür brannte kein Licht auf dem Hof. Vermutlich hockte er irgendwo im Haus und wartete darauf, dass er sich ihm zeigte. Aber das Überraschungsmoment war auf seiner Seite, das würde Schwabe bald klar werden.
Jeremias kannte jeden Winkel des Denningerhofs. Auch von der Nische neben der Terrassentür, die ihm Deckung bieten würde, wusste er.
Er schlug einen Bogen um das Anwesen und nutzte den Schutz des hohen Weizens, um auf die Rückseite des Hauses zu gelangen. Geduckt huschte er über den Weg und schlich auf die Terrasse. Der Himmel war klar, und der Mond stand in dieser Nacht in einem perfekten Winkel. Jeremias konnte jede Einzelheit in Denningers Wohnzimmer erkennen.
Schwabe hatte die grüne Ledercouch, die sonst vor dem Kamin stand, an die Wand gerückt. Von dort hatte er gleichzeitig die Terrasse und die
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