Wenn der Acker brennt
nun mit mir vor?«, fragte Denninger, als Jeremias seine Fesseln löste.
»Es ist an der Zeit, die Dinge ins Reine zu bringen. Du weißt einfach zu viel, tut mir sehr leid.« Mit der Handkante schlug Jeremias dem alten Mann in den Nacken. Nach allem, was er gerade erfahren hatte, war Georg Denninger eine weit größere Bedrohung für ihn, als es Schwabe je hätte sein können.
22
»Trug Amata den Ring noch, als sie gefunden wurde?«, fragte Christine, während Rick die Tagebuchseiten faltete und in die Brusttasche seines Hemdes steckte.
»Keine Ahnung. Ich durfte sie nicht mehr sehen.«
»Stell dir vor, sie hätte ihn noch getragen, als sie beerdigt wurde, dann wäre es zumindest ein Hinweis, dass Rimbar Judith in der Scheune begegnet ist. Wir haben das Tagebuch und deine Beobachtung, und vielleicht erinnern sich noch andere Leute an diese Begebenheit.«
»Jeremias’ Anwälte werden jeden Zeugen in der Luft zerreißen, und es wird ihnen nicht einmal schwerfallen. Sie müssen nur behaupten, dass die Leute nach dreißig Jahren ein Ereignis nicht mehr wirklich wiedergeben können. Erst recht nicht, wenn es für sie persönlich keine Bedeutung hatte.«
»Deshalb willst du ihn davonkommen lassen?«
»Nein, ganz sicher nicht, aber wir brauchen unbedingt mehr hieb- und stichfeste Beweise für seine Taten.«
»Dann sollten wir keine Zeit verlieren und sofort mit Denninger reden«, erklärte Christine entschlossen. »Außerdem habe ich noch viele Fragen an ihn, was meine Familie betrifft. Ich meine, du warst noch ein Kind, du kannst vieles gar nicht wissen.«
»Richtig, ich wusste so einiges nicht. Lass uns gehen, es ist Zeit für einen Ortswechsel.« Er konnte nicht länger in diesem Keller bleiben, Amata war einfach zu nah. So nah, dass es körperlich wehtat.
»Die Nacht meint es gut mit uns«, sagte Christine und deutete auf den sternklaren Himmel, nachdem sie die Kellerluke wieder geschlossen hatten.
Der Mond erschien ihr in den Bergen heller und größer als im Tal. Der weiße Nebel der Milchstraße spannte sich wie ein Bogen über die Gipfel, Milliarden von Sternen leuchteten bis zum Horizont.
»Onkel Michael würde sagen, die richtige Nacht, um zu anderen Planeten aufzubrechen«, zeigte sich auch Rick beeindruckt.
»Wenn er sich irgendwann auf den Weg macht, sag mir bitte Bescheid. Ich würde gern mitkommen.«
»Ich werde dir einen Platz reservieren. Vorsicht!«, rief er erschrocken, als sie eine Kuhle im sandigen Boden übersah und beinahe stolperte. »Komm, ich kenne den Weg«, sagte er und nahm sie an die Hand.
Christine ließ seine Berührung geschehen – so wie zuvor schon im Keller. Als sie zur Seite schaute und die alte Linde betrachtete, die einmal zum Hof ihrer Großeltern gehört hatte, glaubte sie, das Dach eines Hauses zu erkennen, aber es war nur der Schatten der mächtigen Baumkrone. Ihre Sinne hatten ihr einen Streich gespielt.
23
Jeremias sah auf Denninger hinunter. Der alte Mann war durch den Schlag in den Nacken vor dem Kamin zusammengesunken. Jeremias war nicht stolz auf sich, als er Schwabes Revolver auf Denningers Herz richtete. Solange er denken konnte, hatte Georg Denninger zu seinem Leben gehört. Der alte Querulant würde ihm fehlen. Aber es bestand kein Zweifel, dass Denninger reden würde, ließe er ihn am Leben. Das mit Schwabe hätte noch als Notwehr gelten können, aber seit diese Fotografin aufgetaucht war und nun auch noch Rick zurück nach Sinach geschleppt hatte, gerieten die Dinge zunehmend außer Kontrolle. Er hätte Denninger vielleicht Unzurechnungsfähigkeit unterstellen können, aber Rick wäre sicher dagegen angegangen. Wieso nur hatten alle hier diesen verdammten Wahrheitsdrang? Er selbst nahm sich davon nicht aus. Er hatte die Sache mit Judith gestanden. Es war irgendwie erleichternd gewesen, es auszusprechen. Schwabe und Denninger würden ja nicht mehr dazu kommen, es weiterzusagen. Die Wahrheit taugte nicht zum Überleben, der Garant für ein langes glückliches Leben war es, den eigenen Vorteil zu suchen. Seine Hand zitterte, als er den Finger an den Abzug des Revolvers legte. Als er sich beruhigt hatte, drückte er ab.
»Jetzt muss die Angelegenheit nur noch irgendwie arrangiert werden«, sagte er laut, um die unheimliche Stille zu durchbrechen, die nach dem Schuss herrschte.
Auf keinen Fall durfte er jetzt einen Fehler machen. Er schaute zuerst Denninger, dann Schwabe an, der neben der Couch zu Boden gegangen war. Behutsam drückte er Denninger
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