Wenn der Acker brennt
neben der Tür, aber nichts geschah. Auch die Stehlampe vor dem Kamin ließ sich nicht einschalten. Vorsichtig näherte er sich dem alten Mann, hockte sich neben ihn und legte die Hand auf seinen Hals, um den Puls zu ertasten. Nichts. Georg Denningers Lippen waren fest aufeinandergepresst, die Augen starrten ihn leblos an. Kein Zweifel, er war tot, das konnte Rick selbst im Mondlicht erkennen. Behutsam drückte er ihm die Augen zu und strich sanft über seine Brust, eine Geste des Abschieds.
Erschrocken fuhr er zurück, als er realisierte, was er da gerade gefühlt hatte. Blut! Denningers Hemd war mit Blut durchtränkt.
Vorsichtig schaute Rick sich um. Wenn hier ein Kampf stattgefunden hatte, dann konnte es durchaus sein, dass der Angreifer des alten Mannes noch im Haus war. Vielleicht war der gusseiserne Schürhaken, der wie achtlos weggeworfen neben dem Kamin lag, die Waffe, mit der er sich gegen einen Einbrecher hatte wehren wollen? Nun musste Rick doch Franz Burgers Nachtruhe stören. Er verharrte noch einen Augenblick auf dem Boden. Als er kein verdächtiges Geräusch wahrnahm, erhob er sich langsam, ging in die angrenzende Küche, wusch das Blut von seinen Händen und zückte Christines Mobiltelefon, um zuerst den toten Georg und dann das Zimmer zu fotografieren. Die Aufnahmen würde er an Franz Burger weiterleiten.
Jetzt aber schnell raus hier, dachte er, bevor er dem Einbrecher doch noch in die Arme lief. »Verdammt!«, rief er erschrocken, als er über die Terrasse davonjagen wollte und plötzlich einen festen Griff um seine Beine spürte, der ihn beinahe stürzen ließ. Er konnte sich gerade noch an dem alten Holztisch abfangen, verlor dabei aber Christines Telefon, das unter den Tisch rutschte. Manni Schwabe, dachte er, als er auf den Mann starrte, der sich an ihm aufrichten wollte.
»Erledige den Bastard«, stöhnte Schwabe, dem das Blut aus dem Mund quoll.
Rick brachte keinen Ton heraus. Stumm schaute er den Sterbenden an, während er sich aus seiner Umklammerung zu befreien versuchte. In seinen Ohren pochte das Blut, als er den Schein einer Lampe nahe der Haustür wahrnahm. Plötzlich stand er wieder auf der Leiter in Denningers Scheune, als er hatte nachsehen wollen, wohin der Krankenwagen fuhr, und das Scheunentor aufgeschoben wurde. Aber seine Erinnerung durfte ihn nicht lähmen. Mit voller Wucht stieß er Schwabe von sich und sprang kurz entschlossen über die Terrassenbrüstung.
Christine schaute unablässig auf ihre Armbanduhr. Als es nach drei Minuten noch immer dunkel im Haus war, setzte sie sich in Bewegung. So lange konnte es nicht dauern, das Licht einzuschalten, wenn alles in Ordnung war. Sie hatte das Haus und den Schuppen gut im Blick. Alles schien friedlich. Vielleicht war doch nur der Strom ausgefallen?
»Mist, das ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt«, fluchte sie, als sich ihre Blase bemerkbar machte. Um mögliche Tiere in der Nähe zu vertreiben, hob sie einen Stein auf und feuerte ihn ins Gebüsch vor dem Feld. Als sich nichts rührte, öffnete sie Gürtel und Reißverschluss ihrer Jeans und hockte sich hinter einen Busch. Während sie sich wieder aufrichtete, sah sie einen Mann aus dem Schuppen kommen. Georg Denninger konnte es nicht sein, der Mann war gut einen Kopf größer als er, und um Rick zu sein, hatte er zu breite Schultern.
»Rimbar«, flüsterte sie ungläubig, als der Mann sich umdrehte und das Licht seiner brennenden Öllampe sein Gesicht beleuchtete.
Was ging dort vor? Wieso schlich der viel beschäftigte Bürgermeister mit einer Öllampe über den Hof? Er hat Georg Denninger aufgesucht, um ihm wieder eine Wohnung anzubieten, der Strom war ausgefallen, und nun sah er sich nach einer alternativen Lichtquelle um. Das wäre eine Erklärung, aber würde Rimbar den alten Mann so spät am Abend aufsuchen? Oder wusste er von Amatas Tagebuch und wollte es sich von Denninger holen? Unsinn, wie sollte er davon erfahren haben? Außerdem war das Buch nicht interessant für ihn. Die brisanten Seiten hatten sie doch gerade erst gefunden. Trotzdem, irgendetwas stimmte da nicht, sonst hätte Rick sich längst bemerkbar gemacht.
Eilig zog Christine den Reißverschluss der Jeans hoch, das Schließen der Gürtelschnalle ersparte sie sich, für dieses Gefummel hatte sie keine Zeit. Jeremias war nur noch ein paar Schritte von Denningers Haustür entfernt. Wenn sie jetzt losrannte, konnte sie vielleicht von der Terrasse aus einen Blick ins Wohnzimmer werfen, bevor er auf sie
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