Wenn der Acker brennt
gegenüber der Apotheke.
»Denningers Felder brennen«, kam eine pummelige Dunkelhaarige dem Chef der örtlichen Polizei mit der Antwort zuvor. Sie stand im ersten Stock desselben Hauses am Fenster, stützte die Arme auf einem Kissen ab und stellte sich offensichtlich auf eine längere nächtliche Beobachtung ein.
Von überall her rannten die Leute in Schlafanzügen und Nachthemden aus ihren Häusern und umlagerten den Kommissar.
»Ich bitte euch, geht nach Hause und behindert nicht die Arbeit der Feuerwehr!«, forderte er die Neugierigen auf, die ihn nur murrend in seinen Wagen steigen ließen.
»Kommt, Leute, dann schauen wir eben selbst nach!«, rief der hagere Mann, und schon setzte sich ein Pulk von Neugierigen in Richtung Ortsausgang in Bewegung.
Als Burger kurz darauf den Dorfrand erreichte, hatten die Felder, durch die sich der Weg zum Denningerhof schlängelte, bereits Feuer gefangen. Das angesengte Getreide knisterte und prasselte bedrohlich. Die Flammen erhellten den Himmel, während beißender dunkler Rauch in Richtung Dorf zog. Josef Kreitmüller und Toni Renner hatten den Feldweg mit dem Polizeiwagen abgeriegelt, um die Neugierigen aufzuhalten, die schon im Anmarsch waren.
»Was ist mit Georg? Wo ist er?«, wandte Burger sich an Kreitmüller.
»Ich habe keine Ahnung, Chef. Er hat sich bisher nicht blicken lassen.« Kreitmüller, der an der Motorhaube des Polizeiwagens lehnte, sah zu, wie Renner mit fuchtelnden Händen diejenigen zurückdrängte, die sich an dem Polizeiauto vorbeiquetschen wollten.
»Aber er hat doch die Feuerwehr gerufen?«
»Nein, das war ich. Unser Schlafzimmerfenster geht doch zu den Feldern raus, und als die Erika und ich vorhin ins Bett wollten, da haben wir das Feuer gesehen.«
»Aber es ist schon jemand draußen bei Georg, oder?«
»Geht noch nicht, die Feuerwehr muss erst eine Schneise schlagen. – Seid doch vernünftig, wollt ihr euch etwa mit Gewalt eine Rauchvergiftung holen?« Kreitmüller sprang Toni Renner zur Seite, der dem Andrang der Schaulustigen nicht mehr Herr wurde.
»Schaff die Leute aus dem Weg, Burger!«, rief Andreas Lehweiler, der Hauptmann der örtlichen Feuerwehr. Der wuchtige Mann in der roten Weste stand auf der ausgefahrenen Leiter des Feuerwehrwagens, um sich einen Überblick zu verschaffen. »Wir haben drehende Winde. Um das Dorf zu schützen, müssen wir mehrere Schneisen schlagen. – Zwanzig Schritte nach Osten!«, brüllte er in sein Megafon und überprüfte den Sitz seines Helms, der ihm ein Stück in den Nacken gerutscht war. »Noch fünf Schritte!«, dirigierte er seine Mannschaft, die sich mit Haken und Äxten vorwärtsbewegte.
»Aber wir müssen zum Georg raus!«, brüllte Franz Burger, der zum wiederholten Male ohne Erfolg auf dem Denningerhof angerufen hatte.
»Keine Chance, nicht im Moment. Der Georg muss für sich selbst sorgen«, erklärte Lehweiler. »Wir wissen noch nicht, wie weit sich das Feuer schon ausgebreitet hat. – Noch mehr nach Osten!«, trieb er seine Leute erneut an.
Mittlerweile wussten sich Burgers Kollegen kaum noch zu helfen. Die Dorfbewohner bestürmten sie unentwegt mit Fragen, wollten wissen, was mit Georg Denninger war und in welche Richtung das Feuer sich wohl ausbreiten würde. Franz Burger musste dringend etwas unternehmen, bevor die Leute sich zu weit vorwagten und das nächste Unglück seinen Lauf nahm. Er ging zu seinem Wagen, holte die Rolle mit dem schwarz-gelben Band, das er zur Absperrung eines Tatortes immer dabeihatte, und befestigte es an den beiden Grenzsteinen rechts und links am Anfang des Feldweges. Danach ging er zurück zu seinen Kollegen, setzte sich in den Polizeiwagen und griff sich das Mikrofon des Megafons, das auf dem Dach befestigt war.
»Alle begeben sich umgehend hinter die Absperrung. Wer sie überschreitet, bekommt von mir eine Anzeige wegen Behinderung der Löscharbeiten, und das, Herrschaften, wird teuer!« Den Leuten sollte klar sein, dass der Spaß vorbei war.
Trotzdem dauerte es noch eine Weile, bis die ersten seiner Aufforderung folgten. Erst als Burger immer wieder ein entschlossenes »Auf geht’s!« nachschob, räumten die Leute den Feldweg.
Nach Hause ging allerdings niemand. Dorfbewohner und Urlauber sammelten sich in Grüppchen auf der etwas weiter entfernten Straße und hofften auf ein nächtliches Schauspiel. Gustl Renner war von seinem Sohn über den Menschenauflauf nahe den Feldern informiert worden, und es dauerte nicht lange, bis der Wirt vom
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