Wenn der Acker brennt
schüttelte. »Ich müsste ihm schon sagen, nach wem er suchen soll«, flüsterte sie, während sie mit der Hand das Mikro ihres Handys bedeckte.
»Wird er es für sich behalten?«
»Bestimmt, wenn ich ihn darum bitte.«
»Dann sage es ihm.«
»Mario, hör zu. Ihr sucht nach Rick Linden. – Ja, genau der Rick Linden, aber bitte schön kein Wort zu niemandem. Die Sache läuft ausschließlich über mich. Kann ich mich darauf verlassen? – Super, danke. – Ja, mir geht es gut. – Freilich können wir uns sehen. Morgen Abend? – Okay, ich freue mich. Ciao, Mario.«
»Du bist sicher, dass er Ricks Identität für sich behält?«, hakte Christine nach.
»Der Mario ist für die Koordination der Einsätze bei der Bergwacht verantwortlich. Auf sein Wort kann ich zählen.«
»Wegen des Burger-Bonus, nehme ich an?«
»In diesem Fall eher wegen des Leni-Bonus, der Mario ist mein Freund«, erklärte das Mädchen lächelnd. »Wenn Sie kein Lebenszeichen von Rick entdecken konnten«, wurde Leni auf einmal ernst, »ich meine, das heißt nicht unbedingt, dass er …«
»Sprich es lieber nicht aus«, bat Christine.
»Nein, besser nicht. Wir warten einfach, bis sie ihn finden«, versprach Leni. »Ich müsste mal kurz wohin.« Sie deutete auf das Bad, das zum Krankenzimmer gehörte.
»Hast du vorher noch einen Stift und ein Stück Papier?«
»Leider nicht, aber vielleicht tut es das?« Das Mädchen kramte einen schwarzen Kajalstift und ein unbenutztes Papiertaschentuch aus seiner Jeans.
»Wunderbar, danke.« Während Leni im Bad verschwand, zeichnete Christine den Ring, den sie an Manni Schwabes Finger gesehen hatte. Sie wollte sich ins Gedächtnis rufen, wie er ausgesehen hatte.
»Geht es Ihnen besser?«
Christine fuhr herum. Eine rothaarige junge Frau in weißem Kittel mit einem Stethoskop um den Hals stand plötzlich vor ihrem Bett.
»Ja, alles bestens«, versicherte Christine ihr.
»Wunderbar, das freut mich. Ich bin Miriam Mechner. Leni hat Sie zu mir gebracht.«
»Das hat sie mir erzählt, danke für Ihre Hilfe. Gegen Tetanus bin ich übrigens erst im letzten Monat wieder geimpft worden.«
»Sehr gut, dann können wir uns eine Auffrischung sparen.«
Eine Krankenschwester schaute ins Zimmer. »Frau Dr. Mechner? Es geht um Frau Renner. Könnten Sie kurz kommen?«
»Ich bin sofort wieder bei Ihnen«, sagte die Ärztin und nickte Christine freundlich zu.
»Keine Eile, mir geht es gut«, entgegnete sie, obwohl ihr gerade der Schreck in die Glieder gefahren war. Toni Renner, Rimbars Neffe, stand im Gang vor ihrem Zimmer. Für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich ihre Blicke, und Renner zuckte zusammen. Kein Zweifel, er hatte sie erkannt.
»Du denkst nicht wirklich, dass sie uns glauben, wenn wir Jeremias des mehrfachen Mordes beschuldigen? Zuerst einmal werden sie uns festnehmen«, hörte sie Rick wieder sagen, als er sie davor gewarnt hatte, sich ohne stichhaltige Beweise der Polizei anzuvertrauen. Es gab nur eins, was sie tun konnte, um Jeremias Rimbar zu entkommen.
»Hör zu, Leni, du musst mir helfen«, bat sie leise, als das Mädchen wieder aus dem Badezimmer kam.
37
Jeremias saß im Auto vor seiner Einfahrt, hatte die Arme auf das Lenkrad gelegt und starrte auf die Berge. Es war lange her, dass er sich so hilflos gefühlt hatte, aber Christine Weingard hatte ihn so weit gebracht. Wenn der Wildbach sie nicht ins Tal spülte oder sie irgendwo anders auftauchte, musste er sich mit der Ungewissheit arrangieren. Wenigstens hatte er ihr Handy und somit nicht nur die Bilder vom Tatort, die er möglicherweise noch als Beweis gegen sie einsetzen konnte, mit dem Telefon war er auch in der Lage, sich zu gegebener Zeit bei ihren Freunden und Bekannten nach ihrem Aufenthaltsort zu erkundigen. Irgendjemand wusste immer etwas. Ihre Leica, Amatas Tagebuch und die herausgerissenen Seiten, die er Rick abgenommen hatte, hatte er im Safe unter seinem Bett verstaut. Die Kamera war ein echtes Sammlerstück. Er hatte es nicht fertiggebracht, sie zu entsorgen. Ebenso wie Amatas Aufzeichnungen würde er sie behalten. Allein die Berührung der beschriebenen Seiten löste Erinnerungen in ihm aus.
»Was willst du?«, fragte er genervt, als die Beifahrertür aufgezogen wurde und Maria Borgrieder zu ihm ins Auto stieg.
»Ich möchte nicht allein sein, Jeremias.«
»Ich schon«, erwiderte er schroff.
»Wo warst du? Hast du etwas mit Karls Verschwinden zu tun?«, ließ sie sich nicht abweisen.
»Er ist verschwunden?
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