Wenn der Acker brennt
spielte Jeremias den Tröster. »Wie ist der Sturz denn passiert?«
»Das hat sie mir nicht gesagt. Ganz schön edel.« Leni fuhr mit ihren Fingern über das helle Leder des Armaturenbretts, so als wollte sie sich von den düsteren Gedanken um ihr Idol ablenken.
Da Leni keinerlei Misstrauen ihm und seinen Fragen gegenüber zeigte, lag für Jeremias die Vermutung nahe, dass die Fotografin dem Mädchen nichts erzählt hatte, was ihm schaden könnte. Dafür war er ihr dankbar. Er hätte Leni Burger nur sehr widerwillig für die Fehler der anderen büßen lassen.
»Willst du den Wagen mal fahren?«, fragte er sie, weil er das Bedürfnis hatte, ihr etwas Gutes zu tun. »Du hast doch gerade den Führerschein gemacht, oder?«
»Das ist nicht Ihr Ernst?«, zeigte sich Leni verblüfft.
»Aber ja, komm.« Er fuhr in eine Haltebucht, und sie tauschten die Plätze. »Mit mehr Gefühl, Mädchen«, bat er, als Leni sich kurz darauf beim Anfahren verschaltete.
»Verstanden.« Sie ließ sich nicht entmutigen und gab sich mehr Mühe, während seine Hand über der Handbremse schwebte, um gegebenenfalls in Lenis Fahrkünste eingreifen zu können.
»Langsam!«, rief er erschrocken, als das Mädchen wenig später mit hohem Tempo auf den Parkplatz vor dem Rathaus einbog.
Der Regen hatte inzwischen an Stärke zugenommen. Er trommelte auf das Autodach, die Scheibenwischer kamen kaum noch nach, und das Kopfsteinpflaster glänzte rutschig. Als Leni auf die Bremse trat, geriet der Wagen sofort aus der Spur.
»Sorry«, entschuldigte sie sich mit einem gekonnten Augenaufschlag, als sie einparkte.
»Schon gut, stell jetzt den Motor ab.« Äußerlich war er ruhig, doch innerlich atmete er auf, dass er diese Fahrt überlebt hatte.
»Das war echt super, vielen, vielen Dank, Herr Rimbar.« Noch ganz benommen von ihrer ersten Fahrt mit einem Lamborghini stieg Leni aus dem Wagen. »Moment noch, meine Tasche.« Sie wollte sich noch einmal in das Auto beugen.
»Ich bringe sie dir mit. Geh lieber schon vor, sonst denkt dein Vater gleich wer weiß was. Er hat uns bestimmt schon unter Beobachtung.«
»Bin schon fort.« Leni sprintete durch den klatschenden Regen.
Jeremias nutzte die Gelegenheit, holte das Papiertaschentuch, das Leni im Krankenhaus eingesteckt hatte, aus ihrer Handtasche und faltete es auseinander. Er wusste sofort, was die Zeichnung darstellte. Als er gleich darauf das Polizeirevier betrat, stand Leni vor Burgers Schreibtisch, stützte sich mit den Händen auf und schaute ihren Vater verärgert an.
»Noch einmal, ich weiß nicht, wo sie ist«, verkündete sie betont langsam.
»Sie hat dir also erzählt, dass Christine Weingard wieder aufgetaucht ist?« Jeremias gab Leni die Tasche und setzte sich auf den Stuhl vor Burgers Schreibtisch.
»Was uns aber nicht weiterbringt, weil die Dame offensichtlich schon wieder verschwunden ist.« Franz Burger trommelte mit den Fingern auf seine Schreibtischunterlage und musterte seine Tochter aus zusammengekniffenen Augen. »Wo genau hast du sie getroffen?«
»Am Wildbach«, wiederholte Leni die Geschichte, die sie schon dem Bürgermeister erzählt hatte. »Und wie es aussieht, muss Rick wohl die ganze Nacht in den Bergen ausharren. Wenn er überhaupt noch lebt.« Sie schaute auf den Regen, der in kleinen Sturzbächen vom Dach schoss und gegen die Scheiben prasselte. Das Gewitter war jetzt genau über ihnen, der nächste Blitz erleuchtete das Polizeirevier taghell. »Er darf einfach nicht tot sein«, flüsterte sie und fuhr zusammen, als der Donner über das Tal hinwegrollte.
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass die Fotografin wieder da ist? Du hättest mich anrufen können«, wandte sich Burger seiner Tochter zu.
»Ich habe ihr versprochen, nichts zu sagen.«
»So, hast du das? Und woher hast du gewusst, dass Christine Weingard im Krankenhaus ist?«, wandte sich Burger an Jeremias.
»Toni hat sie zufällig gesehen. Sie lag auf demselben Gang wie seine Mutter, und die Tür stand offen. Allerdings war er sich nicht ganz sicher und wollte, dass ich die Sache für ihn überprüfe, bevor er dich unnötig aufschreckt.«
»Entschuldige, Jeremias, aber du solltest deinem Neffen klarmachen, dass du nicht die übergeordnete Stelle der Sinacher Polizei bist.« Burgers Reaktion zeigte deutlich, dass er Toni Renners Entscheidung, ihn zu übergehen, missbilligte.
»Der Junge weiß schon, dass du der Chef bist, er wollte mir nur ein bisschen imponieren. In diesem Fall hat deine Tochter doch
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