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Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen

Titel: Wenn der Christbaum brennt - und andere heitere Weihnachtskatastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Sinhuber (Hrsg)
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nur dadurch die nötige Aufnahmefähigkeit sichern, daß sie die verbliebenen Knochen und sonstigen unbrauchbaren Reste möglichst unauffällig unter den Tisch fegten. Und dies wurde ihnen von Herrn Biel – statt daß er für mehr Platz oder rasches Abräumen gesorgt hätte – mittels Plakat untersagt.
    Noch komplizierter verhielt es sich mit der Aufschrift einer Tafel, die das P.T. Publikum auf die Sonntagssperre aufmerksam machte. In jedem andern Lokal hieß es ganz einfach: »Sonntag geschlossen.« Bei Biel hieß es: »Jeden Sonntag den ganzen Tag geschlossen«, und ich habe lange über die Entstehungsgeschichte dieser einigermaßen überladenen Form gerätselt. Wahrscheinlich hatte sich auch Herr Biel, als die einschlägige Vorschrift der Gewerbeordnung erschien, zuerst mit einem simplen »Sonntag geschlossen« begnügt. Da aber drangen seine gierigen Stammgäste zu dem schwer Zugänglichen vor und fragten, ob er nicht wenigstens zu Mittag oder nicht wenigstens am Abend aufmachen könnte, um sie zu verköstigen. Herr Biel verneinte und hielt das in einem entsprechend erweiterten Wortlaut fest: »Sonntag den ganzen Tag geschlossen.« Auch ein erneutes Drängen, dann wenigstens nur jeden zweiten Sonntag zu schließen, wies Herr Biel zurück, womit die Textfassung ein für allemal gegeben war: »Jeden Sonntag den ganzen Tag geschlossen.«
    Ich wüßte nicht, wie sie anders zustande gekommen wäre. Ich sehe die aufgeregten Beschwerdeführer vor mir, höre sie auf Herrn Biel einsprechen, höre seine kurzen, von scharf akzentuierenden Gesten begleiteten Ablehnungsworte, die in der oben zitierten Schlußformel ihren endgültigen Ausdruck fanden. Und noch selten hat mir ein an sich korrekter deutscher Satz so massiv entgegengejüdelt wie dieser.
    Nur weil es schade wäre, wenn sie verloren ginge, sei hier – sozusagen »als Gast« – eine kulinarische Anekdote festgehalten, zu der ich höchstens insofern eine persönliche Verbindung anmelden darf, als ich mit dem Sohn ihres Helden befreundet bin. Der Held ist Leo Slezak, Wiens unvergessener Operntenor und Filmliebling, und die Richtigkeit der Anekdote wurde mir von seinem Sohn Walter bestätigt (der sich mit einer höchst erfolgreichen Karriere im amerikanischen Film und Fernsehen ausweisen kann, also ein rares Exempel darstellt: er ist als Sohn eines berühmten Vaters aus eigener, origineller Begabung, ohne am väterlichen Namen zu schmarotzen, auch seinerseits berühmt geworden).
    Leo Slezak gastierte häufig in München und speiste dort mit Vorliebe in einem kleinen jüdischen Restaurant, dessen Besitzer die große Ehre sehr zu schätzen wußte. Als er seinen prominenten Stammgast wieder einmal händereibend mit der Frage umdienerte: »Herr Kammersänger, was werden wir heute essen?« antwortete Leo Slezak kurz und entschieden: »Gänse.«

HORST PILLAU: Bist du ein Engel?
    HORST PILLAU

    Bist du ein Engel?

    Es schneite, wie es sich gehörte. Frischer Schnee überzog Bürgersteig und Fahrdamm und hellte das Dunkel dieses Weihnachtsabends auf. Die Fenster der Wohnzimmer waren vom matten Licht der Kerzen gesprenkelt. Jeder wußte, wohin er gehörte, überall wurde beschert.
    Nur Maria Friese stand vor der Tür eines etwas verkommenen Mietshauses und überlegte, verdutzt und ungläubig, was sie nun tun sollte. Ungläubig: ein Wort, das eigentlich nicht zu Weihnachten paßte. Sie hatte Ulla besuchen wollen, die schwierigste ihrer Töchter. Ulla machte es sich immer schwerer als nötig und hatte es folglich schwer, denn sie war unverbindlich, abweisend und uncharmant. Maria Friese hatte die zweistündige Bahnfahrt in die Großstadt unternommen, um den heutigen Abend mit Ulla zu verbringen. Sie hatte geklingelt, aber dann stand die ganze WG in der Wohnungstür, um sie kühl zu mustern und ihr mitzuteilen, daß Ulla vor vier Wochen ausgezogen war, ohne zu sagen, wohin. Aber sie hatte keine Angst vor dem Alleinsein heute. Sie würde in Richtung Hauptbahnhof gehen, vielleicht auch eine der Kneipen betreten, die für Einsame geöffnet waren.
    Maria Friese machte sich auf den Weg, und ihre Schuhe stanzten Spuren in den Schnee. Sie überquerte eine Straße, kein Auto war zu sehen. »Markt und Straßen stehn verlassen, still erleuchtet jedes Haus ….«
    Sie wunderte sich, daß ihr Weihnachtsverse in den Sinn kamen. Sie hatte es falsch gemacht mit diesem Weihnachten. Da hatte sie nun die Bescherung.
    Dann hörte sie plötzlich ein lautes Schluchzen und blickte auf. Ein

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