Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
errichten. Jane schien diesem Tim ja wahre Wunder zuzutrauen!
Janes Beschreibung der Behausungen, die sie bisher gewohnt gewesen war, ließ beide Schwestern staunen. Bei den Kaurna waren feste Bauten unbekannt. Im Sommer wurden nur Windschirme errichtet, in den Wintermonaten etwas festere Schutzhütten. Es war ihr schwergefallen, sich an die aus massiven Baumstämmen errichtete Schäferhütte zu gewöhnen. » Am Anfang bin ich oft nachts nach draußen gegangen und habe mich dort unter einen Busch gelegt, weil ich das Gefühl hatte zu ersticken«, erzählte Jane.
» Hattest du keine Angst– so ganz allein im Dunkeln?« Lischen sah sie mit großen Augen an.
» Ich hatte doch ein Feuer, yakkanilya!«
» Ist das mein Name in deiner Sprache?«
» Nein, es bedeutet ›kleine Schwester‹. Darf ich dich so nennen? Dein Name ist für meine Zunge sehr schwer.«
» Natürlich.« Lischen strahlte. » Yakkanilya, das klingt nett. Viel hübscher als Lischen.«
» Eigentlich heißt du ja auch Elise«, warf Dorothea ein.
» Ihr habt auch andere Namen für kleine Kinder?« Jane wirkte verwirrt. » Ich dachte immer, Engländer bekommen ihre Namen für alle Zeiten?«
Dorothea erklärte ihr die Unterschiede zwischen Tauf- und Kosenamen und fragte dann, wie es bei den Kaurna gebräuchlich sei. » Wenn ein Kind geboren wird, ruft man es zuerst nur ›Kartamaru‹– das bedeutet Sohn Nummer eins oder ›Kartanya‹– das bedeutet Tochter Nummer eins«, sagte Jane. » Erst wenn es alt genug ist, mit den Männern oder mit den Frauen zu gehen, geben die Geister seinen endgültigen Namen bekannt.«
» Wie machen sie das denn?« Lischen war geradezu fasziniert.
» Sie schicken den Eltern einen Traum«, erwiderte Jane schlicht.
» Was denn für einen?«
» Ganz verschieden. Man träumt von einem Tier oder einem bestimmten Platz. Und dann wissen die Eltern, wie ihr Kind heißen soll.«
» Ihr nennt sie nicht nach Verwandten? Ich heiße nämlich nach meiner verstorbenen Großmutter«, erklärte Lischen.
Diese harmlose Eröffnung hatte eine seltsame Wirkung auf die junge Aborigine. Zu Dorotheas Verblüffung betrachtete sie Lischen mit einer Mischung aus Schrecken und Mitleid. » Nein«, sagte sie schließlich. » Wir nennen Kinder niemals nach Menschen. Menschen sterben eines Tages und gehen dann zu den Ahnengeistern. Und die Ahnengeister müssen respektiert werden. Ihre Namen sind tabu. Man darf sie nicht einmal aussprechen.«
» Das kommt mir ziemlich albern vor«, befand Lischen ungerührt und zog die Nase kraus. » Mama spricht ständig von Großmutter Elise.«
» Wir glauben nicht an Ahnengeister«, sagte Dorothea mit der Entschiedenheit einer Missionarstochter. » Wir glauben, dass die Seelen der Verstorbenen in den Himmel kommen und von dort auf uns herabsehen. Wir glauben, dass…« Lautes Geschrei aus Richtung des Schulhauses zeigte an, dass der Unterricht für heute beendet war. » O Himmel, ist es schon so spät?« Sie sprang auf. An den Tagen, an denen Auguste Schumann nicht wohl war, war es Dorotheas Aufgabe, das Essen zuzubereiten. » Jetzt haben wir uns aber mächtig verplaudert.«
Ungeduldig wartete sie, bis ihr Vater und ihr Bruder sich ausgiebig von ihren Schülern und deren Familien verabschiedet hatten und endlich auf das Haus zusteuerten.
» So, das ist also unser Gast«, sagte Pastor Schumann freundlich und streckte Jane eine Hand entgegen. » Willkommen, Kind. Ich hoffe, Sie werden sich bei uns wohlfühlen.– Was gibt es denn Schönes zu essen, Dorchen?«
» Ich fürchte, es gibt heute später Abendbrot, Papa. Lischen, deck schon mal den Tisch!«
Bis Dorothea mit Augusts Hilfe die Pastete aufgeschnitten und die Beilagen angerichtet hatte, war die Tageshitze von einer angenehm kühlen Abendbrise vertrieben worden, und Auguste Schumanns Lebensgeister erwachten wieder. Zumindest so weit, dass sie sich der Gesellschaft im Esszimmer anschloss. Janes offensichtliche Nervosität bei der Vorstellung befremdete Dorothea zuerst. Dann fiel ihr wieder ein, was Protector Moorhouse einmal über die Hierarchie bei den Kaurna-Frauen erzählt hatte. Älteren war absoluter Gehorsam zu leisten. Und vielleicht war ja auch die Geschichte mit dem Besen und der Tischwäsche herumgegangen? Das würde erklären, wieso Jane Mutter Schumann fast schon unterwürfig begegnete. Ihre Vermutung bestätigte sich, als Jane, die mit dem ungewohnten europäischen Besteck zu kämpfen hatte, einen Bissen auf die blütenweiße Tischdecke
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