Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
fallen ließ und vor Schreck erstarrte.
» Ich bitte um Entschuldigung. Ich bin zu ungeschickt«, wisperte sie und schien auf ein schreckliches Donnerwetter gefasst. Als Auguste Schumann nur beiläufig bemerkte: » Das macht doch nichts, es war sowieso nicht mehr frisch«, wirkte sie auf geradezu absurde Weise erleichtert.
Später, allein auf ihrem Zimmer, erklärte sie Dorothea, dass das Haus und seine ganze unbekannte Einrichtung sie nervös mache. » Ich fürchte, ich werde es niemals schaffen, mich an englische Sitten zu gewöhnen«, sagte sie verzagt. » Ich habe immerzu Angst, dass ich etwas kaputt mache. Dies zerbrechliche Geschirr, von dem ihr esst– sicher werde ich noch etwas fallen lassen, und deine Mutter wird sehr böse werden.«
» Du musst keine Angst haben. Mama wird nicht mit dir schimpfen«, beruhigte Dorothea sie. » Sie hat viel zu viel Mitleid mit dir.«
» Mitleid?« Jane sprach das Wort mit so viel Unverständnis aus, dass Dorothea hinzufügte: » Sie findet, dass du sehr schlecht behandelt wurdest.«
» Wieso?«
» Weil du praktisch schon als Kind verheiratet wurdest.«
» Ich wurde nicht als Kind verheiratet. Ich war genau im richtigen Alter, als mein erster Mann mich zur Frau nahm«, widersprach Jane.
Was sollte man darauf erwidern? Dorothea schwieg, nahm sich aber vor, bei nächster Gelegenheit Protector Moorhouse nach gewissen Aspekten des Lebens der Kaurna zu fragen.
» Soll ich das wirklich anziehen?« Jane drehte das Musselin-Nachthemd, das Dorothea ihr überlassen hatte, unschlüssig hin und her. » Es ist doch viel zu vornehm, um darin zu schlafen. Das ist ein Kleid für ein palti!«
» Findest du?« Dorothea musste bei der Vorstellung lachen, in einem Nachthemd zu einer Gesellschaft zu erscheinen. » Wenn du nicht magst, musst du es natürlich nicht anziehen. Was trägst du denn sonst in der Nacht?«
» Nichts.«
Dorothea zwinkerte. » Wie bitte?«
» Nichts. Wozu braucht man nachts Kleidung?«
Diese Frage hatte sich Dorothea noch nie gestellt. Es war eben so. » Anständige Frauen tragen Nachthemden«, sagte sie bestimmt. » Du wirst dich schon noch daran gewöhnen.«
In der Folgezeit wurden allerdings mehr Überzeugungen und Gewohnheiten der Schumanns auf den Prüfstand gestellt, als die es sich je hätten träumen lassen. Aus zahlreichen beiläufigen Bemerkungen und Erzählungen setzte sich allmählich ein Bild von Janes Alltag zusammen. Ihr Leben mit Tim Burton war in den Augen der Schumann-Frauen keine wesentliche Verbesserung gegenüber dem mit ihrem Stamm. Seine Hütte war zwar stabiler als die Windschirme, aber die Einrichtung war so spartanisch, wie es bei einer von Männern für Männer gedachten Unterkunft zu erwarten war: ein Kastenbett mit einer Matratze aus heimischen Farnen, ein großer Tisch und grob gezimmerte Stühle sowie eine gemauerte Herdstelle.
» Eine erbärmliche Hütte«, wie Mutter Schumann es zusammenfasste.
Trotzdem schien Jane dort nicht unzufrieden gewesen zu sein. » Ich werde froh sein, wieder nur Blechgeschirr benutzen zu dürfen«, vertraute sie Dorothea an. » Da muss man nicht ständig drauf aufpassen. Und keine Tischdecken, die man ununterbrochen waschen muss.«
Um sie nicht mit unnötigen Zwängen der Zivilisation zu konfrontieren, hatte Auguste Schumann den Schwerpunkt ihres hauswirtschaftlichen Unterrichts auf die Zubereitung einfacher Speisen, Wäschepflege sowie Grundkenntnisse in Näharbeiten gelegt. » Flicken muss man immer! Und man sollte imstande sein, aus alten Kleidungsstücken neue zu schneidern.– Puh, wenn es nur endlich wieder kühler würde!«
Damit war noch lange nicht zu rechnen. Erst gegen Ostern würde es Herbst werden. » Verrückte Welt«, hatte Mutter Schumann gemurrt. » Alles ist andersherum. Im Sommer ist Winter und zu Weihnachten Hochsommer. Man wird ja ganz wirr im Kopf.«
Tatsächlich empfanden es alle als äußerst seltsam, bei sommerlichen Temperaturen Advents- und Weihnachtslieder zu singen. Als Pastor Schumann Jane gebeten hatte, ihnen bei der Suche nach » geeigneten Zweigen für einen Kranz« behilflich zu sein, hatte Dorothea einige Momente gebraucht, bis sie realisiert hatte, dass er von einem Adventskranz sprach. Ihrem Gefühl nach konnte es ohne Kälte und Schnee einfach nicht Vorweihnachtszeit sein.
Es war ein wunderschöner Sommermorgen, als die beiden Mädchen, begleitet von Karl und Lischen, zu ihrer Exkursion aufbrachen. Jane wusste von einem Flecken ein Stück flussaufwärts, an
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