Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
Mutter ist nicht wohl. Herzlich willkommen, Jane. Ich bin Dorothea, und das ist Lischen.«
» Ich bin euch sehr dankbar, dass ich bei euch lernen darf«, sagte Jane mit überraschend dunkler, weich klingender Stimme. » Ich werde mir große Mühe geben, euch nicht zur Last zu fallen.«
» Ich bin sicher, dass du das nicht wirst, Jane«, sagte Protector Moorhouse herzlich und reichte ihr das Bündel mit ihren Habseligkeiten. » Grüßen Sie Ihre Eltern von mir, Miss Schumann. Ich muss leider gleich weiter. Gouverneur Gawler erwartet mich.«
Er verschwand in der unvermeidlichen Staubwolke, und die drei Mädchen betrachteten sich neugierig und eine Spur befangen. » Möchtest du etwas trinken oder dich lieber zuerst frisch machen?«, fragte Dorothea schließlich.
» Was ist frisch machen?«
Lischen brach in hilfloses Gekicher aus. Ihre ältere Schwester zog sie energisch am Zopf, um sie zur Ordnung zu rufen.
» Sich frisch machen bedeutet: den Staub abzuwaschen oder sich umzuziehen– das Kleid wechseln«, fügte sie hinzu, als sie bemerkte, dass Jane das Wort nicht kannte. » Soll ich dich hinaufführen?«
» Ja, bitte.«
Jane zog sich natürlich nicht um. Sie trug ja bereits ihr bestes Kleid aus indigofarbener Baumwolle, zusammen mit einem Paar abgetragener Stiefel, die notdürftig für sie passend gemacht worden waren. Ein Waschtisch war ihr offensichtlich genauso unbekannt wie ein Kleiderschrank. Mit großen Augen nahm sie die neuartige Umgebung in sich auf. Als Dorothea Wasser aus dem Krug in die Waschschüssel goss, sah sie sie verwirrt an. » Zum Trinken?«
Dorothea verbiss sich das Lachen. » Nein, zum Waschen. Schau, das ist die Seife, und dort ist der Handtuchständer. Das schmutzige Wasser gießen wir hier einfach aus dem Fenster.«
Geradezu andächtig schnupperte Jane an dem Seifenstück. » Sie riecht ja nach Blumen«, stellte sie fest. » Wie macht ihr das?«
» Wir machen sie nicht selber. Wir kaufen sie in dem neuen Drugstore in der Hindley Street«, gab Dorothea zu. » Ich wüsste gar nicht, wie man Seife herstellt.«
» Es ist nicht schwer. Tim hat auch manchmal Seife gekocht, aber die stinkt.«
Sie wusch sich mit so kindlicher Freude an dem ungewohnten Luxus, dass Dorothea geduldig wartete, bis sie zum dritten Mal ihre Hände eingeschäumt hatte, ehe sie sagte: » Ich glaube, du bist jetzt sauber genug. Möchtest du dich noch ein wenig umsehen? Sonst können wir hinuntergehen und auf der Veranda etwas trinken. Ich habe vorhin frische Zitronenlimonade gemacht.«
» Ihr trinkt kein Wasser?«, fragte Jane erstaunt.
» Doch, auch. Aber Limonade schmeckt besser. Findest du nicht?«
Das gab Jane ohne Weiteres zu, nachdem sie vorsichtig gekostet hatte. » Es schmeckt wirklich sehr gut«, sagte sie höflich und stellte ihr Glas behutsam ab. » Viel besser als Tee oder Branntwein.«
Lischen spitzte die Ohren, und Dorothea warf ihr einen warnenden Blick zu. » Tee wird in englischen Haushalten viel getrunken«, sagte Dorothea. » Vom Morgen bis zum Abend und zu jeder Gelegenheit, habe ich gehört. Branntwein, glaube ich, eher nicht.« Sie wusste zwar nicht genau über englische Gepflogenheiten Bescheid, doch bei der Einladung des Gouverneurs war zumindest auf der Veranda kein Alkohol gereicht worden. Das schien bekannt zu sein, sonst hätte der junge Mann ja nicht seinen Flachmann dabeigehabt.
» Trinkst du oft Branntwein?« Lischen legte neugierig den Kopf schief. » Wie schmeckt er?«
» Scheußlich.« Jane schüttelte sich unwillkürlich. » Ich mag ihn nicht. Er brennt wie flüssiges Feuer in der Kehle. Aber Männer lieben ihn. Sowohl die Schafhirten als auch unsere. Was ein Glück ist.« Sie lächelte zufrieden. » So konnte Tim mich loskaufen.«
Dorothea beschlich das Gefühl, dass die Konversation für ein zehnjähriges Mädchen ganz und gar nicht passend war. Ihre Mutter hätte Lischen sicher weggeschickt. Aber sie kannte Lischen besser: Die Kleine war eine wahre Meisterin im Lauschen. So versuchte sie lieber, der Unterhaltung eine andere, harmlosere Richtung zu geben.
» Wie hast du eigentlich bisher gewohnt? Ich meine, habt ihr ein eigenes Haus, dein Mann und du?«
Jane schüttelte den Kopf. » Noch nicht. Aber sobald wir unser Land haben, wird Tim uns ein schönes wie dieses hier bauen«, erklärte sie mit unüberhörbarem Stolz in der Stimme.
Dorothea verstand so gut wie nichts von Hausbau, dennoch bezweifelte sie, dass ein Mann imstande wäre, einen solchen Bau ganz allein zu
Weitere Kostenlose Bücher