Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
dort nicht ständig husten.«
Im letzten Winter hatte Karl unter so heftigen Hustenanfällen gelitten, dass der Hausarzt der Schumanns schon ernsthafte Sorge um den Zustand seiner Lunge geäußert hatte. Seiner Ansicht nach konnte der Junge gar nicht schnell genug aus dem feuchten, kalten Dresden wegkommen.
Dorothea hatte das Richtige gesagt. Auguste Schumann straffte die Schultern. » Ja, für Karl wird die australische Wärme ein Segen sein«, stimmte sie ihrer Tochter zu. » Ich hoffe nur, für uns andere auch. Lass uns die Koffer vom Dachboden holen.«
In kluger Voraussicht hatte Mutter Schumann die vergangenen Monate dazu genutzt, umfangreiche Listen zu erstellen, was an Leinen, Kleidung und Hausrat mit in die neue Heimat sollte. Bis auf einen warmen Mantel für jeden würden all die Wintersachen, die sie in Australien nicht mehr benötigten, an die Mission gehen. Das Mobiliar übernahm ein Trödler. Das Schiff nach London sollte am Pfingstmontag auslaufen. Das bedeutete, ihnen blieb nicht viel Zeit, alles zu verpacken und den Haushalt aufzulösen.
Dennoch brachte Dorothea das Kunststück zuwege, beim Licht einer Kerze spätnachts ihre Geschichte umzuschreiben. Sie erklärte ihrer Mutter, sich von einem alten Bekannten verabschieden zu wollen– was ja nicht direkt gelogen war–, und trug die fertigen Seiten, zusammengerollt unter ihrem Umschlagtuch, zu den düsteren Katakomben der Dresdner Postille.
» Mit Ihnen habe ich gar nicht mehr gerechnet«, begrüßte Dünnebier sie erstaunt. » Wo Sie doch bald die Gestade Südaustraliens durchstreifen werden. Es ehrt Sie, dass Sie Ihre Zusage so ernst nehmen. Sie wären ein guter Journalist. Wenn Sie nicht abreisten, hätte ich die Zusammenarbeit gerne fortgeführt.«
Erfreut über das unerwartete Lob errötete Dorothea leicht. » Danke. Vielleicht finde ich dort ja auch eine Möglichkeit. In Adelaide soll es zwei Zeitungen geben. Würden Sie mir eine Empfehlung schreiben?«
Herr Dünnebier wirkte leicht verlegen und kratzte sich am Kopf. » Ähm, tja, müsste die nicht auf Englisch verfasst sein? Leider beherrsche ich diese Sprache nur äußerst notdürftig.«
» Das macht nichts. Ich spreche und schreibe es inzwischen ganz gut«, beeilte Dorothea sich, seine Zweifel zu zerstreuen. » Ich habe mir erlaubt, eine entsprechende Formulierung vorzubereiten. Sie bräuchten sie nur zu unterschreiben.«
Zu ihrer Überraschung warf Herbert Dünnebier den Kopf in den Nacken und lachte schallend.
» Ich hoffe, die wissen Sie dort zu schätzen«, brachte er endlich heraus und wischte sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln. » Geben Sie her, Mädchen. Ich unterschreibe den Wisch. Ich hoffe nur, Sie haben Ihr Licht nicht unter den Scheffel gestellt.« Er sank in seinen Schreibtischstuhl und griff nach der Feder. » Aber irgendwie glaube ich das nicht… Was für eine Verschwendung!«
Schwungvoll kratzte der Kiel über das Papier und verteilte einen feinen Regen schwarzer Tintentröpfchen über den Schreibtisch. Ohne sich im Geringsten darum zu kümmern– den zahllosen Flecken auf der Schreibunterlage nach zu urteilen, tat er das nie–, schob er den Bogen mit der noch feuchten Signatur Dorothea zu. » Jetzt zur Frau Geheimrätin. Haben Sie alles unkenntlich gemacht?« Seine Augen musterten sie scharf.
Dorothea nickte und reichte ihm die umgeschriebene Geschichte. » Ich habe alles umgedreht. Wo sie dick ist, ist die Dame dünn. Und wo sie dunkelhaarig ist, ist die Dame in der Geschichte blond.«
» Gut, ich vertraue Ihnen.« Damit verschwand ihr Manuskript in seiner ominösen Schublade. » Und hier Ihr Honorar.« Feierlich zählte er die Münzen ab. Dorothea dankte ihm und öffnete schon den Mund, um sich endgültig zu verabschieden, als ihm noch etwas einzufallen schien. Er hob eine Hand und sagte hastig: » Warten Sie mal, ich habe da etwas für Sie als Abschiedsgeschenk.« Hektisch kramte er in einer großen Blechschachtel. Erstaunt sah Dorothea auf die Handvoll Bleistifte, die er ihr hinstreckte. » Die neuesten Stifte der Firma Staedtler«, sagte er stolz. » Allerbeste Qualität. Damit Sie nicht aus der Übung kommen.– Ich denke, Feder und Tinte werden auf Schiffen Mangelware sein.«
Zu diesen wunderbaren Schreibgeräten erstand Dorothea in Hamburg zwei Notizbücher. In schwarzes Leder gebunden wirkten sie so vornehm, dass Lischen ausrief: » Meine Güte, Thea, die getraut man sich ja gar nicht mit bloßen Fingern anzufassen!« Karl sagte nichts, seine
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