Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
die Tür hinter sich zugezogen hatte. Derselbe Diener, der bei Tisch aufgelegt hatte, erwartete sie im Flur, um ihr das für sie vorgesehene Zimmer zu zeigen. Osmond Gilles hielt offenbar nichts von einem großen Dienstbotenstamm. Ohne die prächtige Ausstattung eines Blickes zu würdigen, stürzte Dorothea, kaum dass der Mann den Raum verlassen hatte, hinter den Paravent, der eine Ecke des Zimmers abtrennte. Nur gut, dass Robert sich an die Sitte hielt, der Braut einen zeitlichen Vorsprung zu lassen!
Mit zitternden Fingern holte sie den Schwamm und die Phiole aus ihrem Beutelchen. Die ersten Tropfen von dem leuchtend roten Blut ihrer Mutter wurden sofort von der porösen Masse aufgesogen. Der Schwamm sah genauso unschuldig wie ein ganz normaler Badeschwamm aus. Dorothea versuchte abzuschätzen, wie viel nötig wäre. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Wenn sie übertrieb, würde Robert sich danach als Grobian fühlen. Gab es jedoch keine Blutspuren, könnte er an ihrer Jungfräulichkeit zweifeln.
Als sie den Schwamm einführte, hoffte sie inständig, dass sie richtig dosiert hatte. Da sie es als unpassend empfand, sich in dieser Situation an Gott zu wenden, verzichtete sie auf das übliche Nachtgebet und schlüpfte mit vor Aufregung schweißnassen Händen zwischen die schweren Daunendecken.
Robert ließ sie nicht lange warten. Nach einem kurzen Klopfen betrat er das Zimmer, blieb an der Tür stehen und sah sie nachdenklich an. » Bist du sicher?«, fragte er mit leicht heiserer Stimme.
Dorothea nickte entschlossen. Alles war bereit. » Machst du nur bitte das Licht aus?«, bat sie und grub die Fingernägel in die Handflächen, bis es schmerzte.
Masters gehorchte, und sie lauschte auf das Rascheln seiner Kleidung, während er sich im Dunkeln auszog. Als er die Decke anhob und sich neben sie legte, biss sie die Zähne zusammen. » Ich werde nichts tun, wozu du nicht bereit bist«, sagte er leise und beugte sich über sie. » Keine Angst, ich werde dich jetzt nur küssen.«
Sosehr sie seine Rücksichtnahme bewunderte, machte sie sie doch gleichzeitig beinahe wahnsinnig. Sie wollte es endlich hinter sich bringen! Nach verspielten Zärtlichkeiten war ihr im Augenblick ganz und gar nicht zumute. Aber was blieb ihr anderes übrig, als darauf einzugehen?
Ihr Mann küsste gut. Es dauerte nicht lange, und Dorothea vergaß alles um sich herum. Im Dunkeln war es fast wie mit Miles. In einem Moment klaren Denkens wunderte sie sich darüber, dass ihr Körper genauso auf Robert reagierte. Aber dann dachte sie überhaupt nicht mehr.
Als die rosigen Nebel sich verzogen hatten, lag sie an Roberts nackte Brust geschmiegt, und sein Brusthaar kitzelte sie an der Wange. » Ich danke dir«, sagte er schlicht, griff nach ihrer Hand und drückte einen zärtlichen Kuss in ihre Handfläche. » Dass ich so viel Glück mit meiner Ehefrau haben würde, hätte ich nicht im Traum zu hoffen gewagt.«
In Dorothea regten sich heftige Gewissensbisse, die jedoch rasch von schierer Erleichterung verdrängt wurden. Ihr Mann hatte nichts gemerkt! Dabei hatte sie gar nicht mehr an ihre Rolle als jungfräuliche Braut gedacht.
Was für ein Glück!
Erst sein Angebot, ihr behilflich zu sein, riss sie aus ihrer trägen Zufriedenheit. » Nein, nein, ich wasche mich lieber allein«, sagte sie schnell, rutschte seitwärts aus dem Bett und verschwand hinter dem Wandschirm. Im Streifen Mondlicht, der genau auf die Waschschüssel fiel, sah sie ein paar dunkle Flecken auf dem Lappen und atmete erleichtert auf. Zur Sicherheit drückte sie den Schwamm noch einmal in dem Wasser aus, ehe sie ihn in einem ihrer Schuhe verschwinden ließ.
Lieber Gott, ich danke dir, betete sie stumm, aber desto inbrünstiger. Ich bin mir vollkommen bewusst, dass ich es nicht verdient habe, einen so guten Ehemann zu bekommen. Aber ich will es an ihm gutmachen. Er soll es nie bereuen, mich geheiratet zu haben.
10
Zwei Tage später lag Eden-House im milden Licht der Abendsonne vor ihnen. » Wie schön!«, entfuhr es Dorothea. » So schön hatte ich es mir nicht vorgestellt.«
Die parkartigen Ufer des Murray River wirkten, als wären sie von einem Landschaftsgärtner angelegt worden. Der majestätische Fluss, viel mächtiger als der Torrens River, erstreckte sich, breit wie ein See, von Horizont zu Horizont. An seinen Ufern wuchsen außer den typischen, knorrigen Red River Gums anmutige Akazien, Gruppen von Eukalyptusbäumen, und dazwischen spross bereits frisches, grünes Gras.
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