Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
Eine ländliche Idylle wie auf einem Gemälde.
Das Haupthaus war aus hellem Stein errichtet, die Stallungen und Wirtschaftsgebäude aus gebrannten Ziegeln. Auf den umzäunten Weiden in der unmittelbaren Umgebung tummelten sich zahlreiche Pferde und Rinder.
» Freut mich, dass es dir gefällt«, sagte Robert und lächelte. » Du findest es nicht zu abgelegen?«
Hatte Claire sich darüber beklagt? » Nein, ich finde es geradezu paradiesisch«, erwiderte Dorothea begeistert. » Weißt du, dass ich mir als Kind immer ausgemalt habe, in einer Hütte im Wald zu wohnen? Ich stellte mir vor, von Beeren und Pilzen zu leben und mir Kleidung aus Blättern und Rinde zu fertigen.«
» Ganz so frugal geht es bei uns nicht zu«, erwiderte Robert trocken. » Ich wage gar nicht, mir Tante Arabellas Gesicht vorzustellen, sollte ich ihr den Vorschlag machen, auf Elizas köstliche Gerichte zu verzichten und eine solche Diät auszuprobieren. Obwohl es ihr guttäte! Aber das wirst du ja gleich selber sehen.« Er schnalzte dem Pferd aufmunternd zu. Den heimischen Stall vor sich, fiel es in einen leichten Trab.
Die letzten beiden Tage waren im Nu vergangen. Sie waren gut vorangekommen: kein verlorenes Hufeisen, kein beschädigtes Rad. Auf dem Mount Barker hatten sie im Mount Barker Inn übernachtet. Das schlichte Gasthaus verfügte nur über einen einzigen Schlafraum, in dem bereits drei Schafhirten auf ihren Strohsäcken schnarchten. Zwar hatten Robert und sie sich fest in ihre Umhänge eingewickelt, trotzdem inspizierte sie immer noch misstrauisch jede juckende Stelle.
Robert hatte ihr die Bewohner von Eden-House so lebendig beschrieben, dass sie fast überzeugt war, sie schon lange zu kennen.
Die sechsjährige Heather war ein Wildfang, der sich in den Ställen wohler fühlte als im Schulzimmer. Von allen Erwachsenen um sie herum seit jeher verwöhnt und verhätschelt, würde es nicht einfach werden, sie zu zähmen.
Tante Arabella, verwitwete Lady Chatwick, frönte zwei Leidenschaften: exquisitem Essen, inklusive entsprechendem Wein, was sich im Umfang ihrer Figur niederschlug, sowie Romanen, die ihr gar nicht aufregend genug sein konnten. Seit Neuestem schwärmte sie für einen amerikanischen Schriftsteller namens Edgar Allan Poe, der ihrer Meinung nach ein Genie war. » Ich halte ihn entweder für einen Säufer oder für geisteskrank«, hatte Robert konstatiert. » Aus Neugierde habe ich einmal in einem der Bücher geblättert– ich wundere mich über Tante Arabellas gesunden Schlaf nach solcher Lektüre!«
Der Stallknecht Sam war inzwischen grau, und die Gicht plagte ihn heftig, aber nichts hätte ihn dazu bewegen können, seine Herrschaft über die Ställe aufzugeben. Seine scharfe Zunge verschaffte ihm immer noch den nötigen Respekt seiner Untergebenen: des wortkargen Stallburschen John aus Irland und des Stalljungen Gilbert.
Wohl die am meisten gefürchtete Person des Haushalts war jedoch Eliza Perkins, die Köchin.
Nicht nur Eingeborene ergriffen schleunigst die Flucht, wenn sich ihre durchdringende Stimme zu einer Schimpfkanonade erhob, die selbst gestandene Mannsleute erblassen ließ.
Die gebürtige Schottin hatte den größten Teil ihres bisherigen Lebens in Bristol verbracht. Dort hatte sie einem weltfremden Gelehrten den Haushalt geführt und seinem Versprechen vertraut, nach seinem Tod Alleinerbin zu werden. Das geräumige Haus am Stadtrand hätte ihr ein gesichertes Alter als Zimmerwirtin beschert. Leider hatte der vergessliche Herr es versäumt, sein Testament bei einem Notar beglaubigen zu lassen. Ein entfernter Verwandter war geschickt genug gewesen, einen Richter zu finden, der es für ungültig erklärte. Der folgende Rechtsstreit hatte Eliza Perkins ihren letzten Penny gekostet. Mittellos wie an dem Tag, an dem sie bei ihrem Dienstherrn über die Schwelle getreten war, hatte sie es wieder verlassen müssen.
Mit guter Gesundheit und einem festen Willen ausgestattet, hatte sie sich für ein neues Leben in der Kolonie Südaustralien entschieden. Und sie hatte auch keinen Moment gezögert, Robert und Sam in die fremde Wildnis zu begleiten. Von der provisorischen Rindenhütte, in der sie damals alle drei gehaust hatten, bis zu dem eindrucksvollen Haupthaus war es auch für sie ein langer Weg gewesen. Dorothea sah ihr mit gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits bewunderte sie eine solche Frau grenzenlos, andererseits würde es sicher nicht einfach sein, mit ihr auszukommen. Das musste sie aber unbedingt,
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