Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
ihres Vaters immer getan hatte. Während des Schreibens musste sie immer wieder lächeln, wenn sie sich Augusts Kommentare zur Schilderung ihrer ersten Reitstunde vorstellte oder Lischens kugelrunde Augen bei der Aufzählung all der Kuchen und Süßspeisen, die Mrs. Perkins regelmäßig auftischte, oder Karls Begeisterung, wenn er die Abendstimmung am Murray River sehen könnte, die selbst in ihr den Wunsch auslöste, malen zu können.
Ihre Familie fehlte ihr mehr, als sie gedacht hatte. In entsprechend trüber Stimmung sah sie auf, als Robert eintrat. » Was ist los?«, fragte er sofort. » Ist es wegen Heather? Tante Arabella hat so etwas angedeutet, dass sie sich wieder in eine ihrer Stimmungen hineingesteigert hätte.«
» Ach, das wird schon wieder vorbeigehen«, sagte Dorothea. » Nein, ich bin nur etwas müde.– Würdest du den Brief morgen nach Adelaide mitnehmen?«
» Natürlich.« Er trat neben sie und beugte sich herab, um sie auf den Scheitel zu küssen. » Hast du irgendwelche speziellen Wünsche, vielleicht, was die Babyausstattung betrifft? Etwas, womit die brave Mrs. Dietrich überfordert wäre?«
» Ach, Robert!« Dorothea schüttelte den Kopf. Frau Dietrich, die Hahndorfer Näherin, wäre über solche Zweifel an ihrer Kompetenz sicher höchst entrüstet gewesen. » Es sind doch noch Monate hin. Wenn man dich so hört, könnte man meinen, die Geburt stünde unmittelbar bevor. Du bist aufgeregter als ich!«
» Du hast recht«, gab er leicht verlegen zu. » Ich habe mir immer eine große Familie gewünscht. Aber Claire…« Er sprach nicht weiter. Dorothea schmiegte die Wange an seine Hand auf ihrer Schulter, um ihn nicht ansehen zu müssen. » Ich möchte dich in ein paar Jahren hören, wenn unsere Kinder dir keine ruhige Minute mehr lassen«, neckte sie ihn. » Dann werde ich dich daran erinnern, dass es dein ausdrücklicher Wunsch war.«
» Liebling, ich weiß wirklich nicht, womit ich eine Frau wie dich verdient habe«, murmelte Robert und zog sie hoch, um sie fest in die Arme zu schließen.
Roberts Geschäfte erforderten in regelmäßigen Abständen seine Anwesenheit in der Stadt; Anfang September war es wieder so weit. Die alljährliche Schafschur stand bevor. Ein wichtiger, nein, der wichtigste Termin des Jahres für einen Züchter von Merinoschafen. Ihre Wolle war in den englischen Spinnereien hoch begehrt und wurde gut bezahlt. Merinos waren nicht zum Essen da, wie Dorothea inzwischen gelernt hatte, sondern allein wegen ihrer besonders feinen Wolle. Die war so besonders, dass Spanien über Jahrhunderte zur Aufrechterhaltung seines Monopols die Ausfuhr lebender Tiere zu verhindern gewusst hatte. Der Grundstock von Roberts Herde stammte allerdings aus Sachsen, wo Merinos erfolgreich mit einheimischen Rassen gekreuzt worden waren und den Ruhm sächsischer Wolle begründet hatten.
» Ich möchte mir die Scherer noch aussuchen können«, erklärte er Dorothea. » Die besten sind sonst schon weg.«
» Ist es wirklich so wichtig, wer denn nun die Schafe schert? Es scheint mir keine sehr anspruchsvolle Tätigkeit zu sein.«
» Da täuschst du dich gewaltig«, erwiderte Robert und löste sein Halstuch. » Ein ungeschickter Scherer kann die Tiere übel verletzen. Das bedeutet hohe Verluste, sobald die Fliegenschwärme im Sommer über die Herden herfallen.« Er legte das zerknüllte Musselintuch sorgsam über die Stuhllehne und bückte sich nach dem Stiefelknecht. » Deshalb lege ich großen Wert darauf, die deutschen Mädchen zu engagieren. Sie sind nicht die schnellsten– mehr als dreißig Tiere pro Tag schaffen sie nicht–, aber sie fügen ihnen dabei keinen einzigen Kratzer zu.« Er lachte leise. » Es sieht ziemlich komisch aus, wenn sie so dasitzen mit ihren bloßen Füßen und dem Seil, das sie um den großen Zeh gebunden haben, mit dem sie die Hinterbeine der Tiere ruhig halten. Aber die Methode ist höchst effektiv.«
» Kann ich dabei einmal zusehen?« Dorothea schien es interessant genug, um einen Bericht darüber zu schreiben. Wer in der Stadt wusste schon von solchen Dingen? Robert stieg leise ächzend aus dem ersten Stiefel. » Natürlich. Nächstes Jahr.– Vorausgesetzt, dass du dann in der richtigen Verfassung bist«, schränkte er ein.
Dorothea verzog das Gesicht, enthielt sich jedoch einer Erwiderung. Es hatte unbestreitbar Vorzüge, in Watte gepackt zu werden. Ihrer Ansicht nach machte das die Nachteile der übertriebenen Fürsorge aber nicht wett. Manchmal fühlte sie
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