Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
bei diesem Durcheinander den Überblick verlor und O’Halloran freie Hand gab. Du kannst Dir denken, dass der sich das nicht zweimal sagen ließ! Schließlich hat er seit seinem unrühmlichen Ausritt im Mai zähneknirschend darauf gewartet, es den Maraura heimzuzahlen. Endlich kam er zum Schuss, und das nutzte er gründlich! Dreißig tote Maraura, wie viele Verwundete, weiß kein Mensch.
Eine üble Geschichte.
Es wird Dich freuen zu hören, dass ich keine Verletzung abbekommen habe. Nur zwei von uns haben Speerwunden davongetragen, aber keine schweren. Und das Wichtigste: Kein Stück Vieh ist uns abhandengekommen. Du wirst also alle Tiere bekommen können, die Du bestellt hast. Es wird nur ein wenig dauern, weil ich vorher noch nach Gawlertown und Onkaparinga liefern muss.
Ich freue mich von Herzen darauf, Dich wiederzusehen, und hoffe, dann auch Deiner Braut meine Aufwartung machen zu können. Bis dahin verbleibe ich mit den besten Grüßen
Dein Ian
Dorothea ließ den Brief sinken und starrte vor sich hin, ohne etwas wahrzunehmen. Was für ein Zufall! Sie hatte schon gar nicht mehr damit gerechnet, Ian jemals wieder zu treffen. Und er hatte angekündigt, Robert besuchen zu wollen! Ob er sich sehr verändert hatte? Der Ton des Schreibens klang ausgesprochen zielbewusst und selbstsicher. Aber hatte Ian nicht schon auf dem Schiff ganz genau gewusst, was er wollte? Und wie er es bekam?
Damals waren sie fast noch Kinder gewesen, doch seine Zielstrebigkeit war schon da bewundernswert gewesen. Er hatte sich vorgenommen, lesen und schreiben zu lernen, und er hatte es gelernt. In Gedanken saß sie wieder mit ihm auf dem zugigen Deck hinter der Back und sah ihm zu, wie er konzentriert die Buchstaben nachmalte. Sicher hatte er sich alles andere notwendige und nützliche Wissen genauso angeeignet. Ob sie ihn wohl wiedererkennen würde? Und er sie?
Inzwischen war sie eine verheiratete Frau. Eine verheiratete Frau in guter Hoffnung. Ihre Gedanken und Erinnerungen wirbelten wild durcheinander. Fast hätte sie darüber vergessen, wozu sie Roberts Arbeitszimmer ursprünglich betreten hatte. Erst als sie die Schublade schon wieder zugeschoben hatte, fiel ihr ein, dass sie ursprünglich Papier für einen Brief an ihre Mutter gesucht hatte.
Robert war es, der vorgeschlagen hatte, ihr zu schreiben und sie von der Schwangerschaft in Kenntnis zu setzen. Er konnte ja nicht ahnen, dass sie es längst wusste. Dorothea nahm vorsichtig eine der spitzen Stahlfedern in die Hand und prüfte sie auf dem Daumenballen. Angeblich sollte man mit ihnen sehr viel eleganter schreiben können als mit den gewohnten Gänsekielen. Sie waren sündhaft teuer und deswegen weder in der Missionsschule noch beim Register in Gebrauch gewesen. Robert hätte sicher nichts dagegen, wenn sie eine davon ausprobierte. Vorsichtig, um das kostspielige Gerät nicht aus Ungeschick zu beschädigen, steckte sie sie auf den Federhalter aus poliertem Horn, tauchte sie in das Tintenfass und begann.
Liebe Mama,
ich hoffe, Ihr seid alle wohlauf. Mir geht es wunderbar. Ich weiß wirklich nicht, wieso man sagt, dass man sich kränklich fühlen soll, wenn man guter Hoffnung ist.
Leider kann ich Euch nicht besuchen kommen, wie ich es gerne getan hätte, denn Robert ist überaus besorgt um mich und meinen Zustand. Sogar das Reiten hat er mir verboten, was sehr ärgerlich ist, denn es fing gerade an, mir Spaß zu machen.
Sonst bin ich sehr glücklich hier auf Eden-House. Alle sind ganz reizend zu mir. Ich habe meinen Entschluss noch keine Sekunde lang bereut, obwohl ich Euch natürlich alle sehr vermisse und oft an Euch denke.
Dorothea hielt unschlüssig inne. Sollte sie ihrer Mutter von Heathers seltsamem Verhalten berichten? Ihr Rat wäre sicher hilfreicher als der von Lady Chatwick. Nein, entschied sie dann jedoch nach kurzem Überlegen. Es würde sie nur beunruhigen. Ihre Stieftochter war ein Problem, mit dem sie selbst zurechtkommen musste. Also schrieb sie:
Aber Robert hat mir versprochen, dass wir einige Zeit in Adelaide verbringen werden, sobald das Kind da ist. Dann werden wir uns fast so oft sehen wie früher. Darauf freue ich mich jetzt schon, obwohl es noch so lange hin ist. Nicht, dass Du denkst, ich langweilte mich …
Mit diesen Worten stürzte sie sich in eine Beschreibung ihres Tagesablaufs, um ihre Familie an ihrem jetzigen Leben teilhaben zu lassen. Sicher würde ihre Mutter den Geschwistern den Brief am Esstisch vorlesen, wie sie es mit den Briefen
Weitere Kostenlose Bücher