Wenn der Hunger erwacht (German Edition)
Stimme in seinem Südstaatenakzent, und sie spürte regelrecht, wie er sie nicht aus den Augen ließ. „Es ist ja nicht so, dass Ihre Geschichte nicht wahnsinnig unterhaltsam wäre. Also, dann lassen Sie mal hören. Was können Sie mir denn erzählen?“
Mit einem tiefen Seufzer hob Molly die Augenlider. „Erzählen kann ich Ihnen von Elaina. Ich kann Ihnen sagen, was sie mir erzählt hat.“
„In Ihren Träumen, richtig?“ Sein Blick ruhte schwer auf ihrem Mund und verursachte ein Prickeln auf ihren Lippen.
„Auf diese Art kommuniziert sie mit mir, das stimmt. Fragen Sie mich nicht, warum, denn das weiß ich selber nicht. Es ist eben so, seit ich in der Pubertät war.“
Danach schnappte er wie ein Pitbull nach einem Knochen. „Was ist Ihnen denn da bloß passiert, als Sie in der Pubertät waren?“
Verwirrt wich sie seinem Blick aus und konzentrierte sich auf die Tischplatte. In der Mitte stand eine dieser Duftkerzen, die bestimmt irgendeine blumige und feminine Bezeichnung hatte. So leicht schaffte sie es, innerlich ruhig zu werden, ihr ganzer Körper entspannte sich auf diesem Stuhl, die Anspannung entwich wie die Luft aus einem Ballon. Im Stillen lachte sie über diese durchgedrehte Logik, aufs Lächerlichste beschwichtigt, ja sogar beruhigt, wegen einer blöden Kerze, als ob er dadurch weniger gefährlich wäre. Vielleicht war sie ja wirklich verrückt. Die Tatsache, dass er eine Duftkerze besaß, machte ihn kein Stück weniger bedrohlich. Oder gezähmt oder zivilisiert. Vermutlich mochte er es bloß nicht, wenn seine Küche nach Zigarettenqualm stank.
Sie legte eine Hand auf ihren Bauch, um die wilden Gefühle im Zaum zu halten. „Was mit mir geschehen ist, ist nicht wichtig. Was mit Ihnen passiert, darauf müssen wir uns konzentrieren. Da ist irgendetwas … in Ihnen drin, Ian. Etwas, das Sie unter Kontrolle bringen müssen. Denn es ist der Grund dafür, dass jemand hinter Ihnen her ist. Und das wird Menschen, an denen Ihnen etwas liegt, in Gefahr bringen.“
„Ich habe doch gesagt, es gibt keinen, an dem mir was liegt.“
„Das glaube ich Ihnen nicht“, widersprach sie. „Ich wette, dass Sie sich heute Nacht um jemanden Sorgen machen. Elaina hat mir gesagt, dass da jemand ist. Diese Person ist in Gefahr, weil dieses … dieses Böse Ihnen beiden etwas antun will.“
Er kam wieder näher, legte die Hände auf die Stuhllehne, sein warmer, erdiger Duft hüllte sie ein, sein abgrundtiefer Blick war gleichzeitig erotisch und wütend. „Wie kommen Sie auf den Gedanken, dass sie mir wichtig ist, dass ich sie überhaupt mag?“ Ein grimmiges Lachen kam aus seinem Mund, tief und unglaublich erregend. „Glauben Sie mir, meine kleine anständige Molly, Menschen wie Kendra und ich müssen die Leute nicht unbedingt mögen, mit denen wir Sex haben?“
„Aber warum?“
„Warum was?“
„Wenn Sie sie nicht leiden können, wieso haben Sie dann mit ihr geschlafen?“
Zuerst glaubte sie, er würde ihr nicht antworten, denn er wich abrupt zurück, als könnte sie ihn jeden Augenblick anfallen. Er schnappte sich ein schwarzes T-Shirt, das über der Rückenlehne eines anderen Stuhls hing, zog es sich über den Kopf und marschierte zum Geschirrschrank rechts neben der Spüle. Er holte ein kurzes, dickes Glas und eine halb leere Flasche Scotch heraus und goss sich einen kräftigen Schluck ein. „Sie wollen wissen, wieso ich mit ihr geschlafen habe? Weil ich ihren Körper toll fand. Weil sie nicht mehr von mir wollte, als ich ihr geben konnte. Weil die ganze Angelegenheit für sie genauso oberflächlich geblieben ist wie für mich. Mir muss an den Frauen nichts liegen, mit denen ich ins Bett gehe“, teilte er ihr mit rauer Stimme mit, ohne sich umzudrehen. „Das tut es eigentlich selten.“
Sie schluckte den dicken Kloß im Hals herunter. „Ich verstehe.“
Er blickte mit erhobenen Brauen über seine Schulter. „Tun Sie das?“
Molly nickte. „Emotional auf Abstand bleiben. Zur Sicherheit. Ich frage mich bloß, ob Kendra das genauso gesehen hat, oder ob sie hoffte, Sie würden sich in sie verlieben.“
Er kippte die bernsteinfarbene Flüssigkeit hinunter und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. „Warum zum Teufel reden wir über sie, als ob sie tot wäre?“
Die Frage verblüffte sie, aber plötzlich machte sich ein Übelkeit erregendes Gefühl absoluter Sicherheit in ihr breit. Molly hatte keine Ahnung, wieso sie diese Frau nur in der Vergangenheitsform erwähnt hatte – aber
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