Wenn der Hunger erwacht (German Edition)
Kratzern auf seinem Brustkasten zuwandte. Ian bemerkte, dass ihre Fingerspitzen jetzt mit seinem Blut beschmiert waren, und die erschütternde Intimität dieses Anblicks versetzte ihm einen Schlag. „Deswegen musst du dir keine Sorgen machen“, murmelte er leise. „Ich hab mich testen lassen.“
Ihre Hand hielt inne, dann machte sie weiter und verbarg das Gesicht hinter ihrem Haar. „Gut zu wissen“, wisperte sie. „Bei all dem, was passiert ist, hab ich daran überhaupt nicht gedacht.“
Ian packte ihr Handgelenk und wartete geduldig, bis sie ihm in die Augen sah. „Und du?“
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Unterlippe. „Was soll mit mir sein?“
„Hast du dich auch testen lassen?“ Er war wieder in diesen rauen Südstaaten-Singsang gefallen und hatte das Gefühl, er könnte in die warmen, braunen Tiefen ihrer Augen hineinfallen und dort ihre Seele finden.
Sie hob ironisch eine Augenbraue und löste ihre Hand aus seinem Griff. „Das ist eine ziemlich persönliche Frage.“
„Wir befinden uns ja auch in einer ziemlich persönlichen Situation.“ Sein Atem zischte plötzlich durch seine Zähne, als sie mit einem frischen Tupfer weitermachte. Ian nutze die Versunkenheit in ihre Tätigkeit aus, um ihre Züge zu studieren, die zusammengenommen ein Gesicht ergaben, das vielleicht nicht das allerschönste, aber auf jeden Fall das faszinierendste war, das er je gesehen hatte. Voller Seele, mit diesen großen braunen Augen. Ein voller roter Mund, der es irgendwie fertigbrachte, engelhaft sündig auszusehen. Weibliche kleine Nase, flottes Kinn. Jede Menge dichte, seidige Locken, wie gemacht für Berührungen durch eine Männerhand.
Die ganzen kleinen Details waren hübsch und entzückend … in ihrer Reinheit sogar unschuldig. Sie hätte eine Sonntagsschullehrerin sein können. Oder eine Studentin der Geisteswissenschaften. Die Art Mädchen, das die Highschool-Flamme heiratet, zweieinhalb Kinder in die Welt setzt, einen weißen Lattenzaun ums Haus hat, die Kinder dauernd von Ballettstunden zum Fußball fährt und den Amerikanischen Traum lebt, in der Norman-Rockwell-Variante.
Und trotzdem … die Gefühle, die sie in ihm auslöste, hatten mit so etwas nicht das Geringste zu tun. Düster. Verzweifelt. In jener Welt der Unschuld und des „… lebten sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage“ hatte das, was er von ihr wollte und gern mit ihr tun würde, nichts zu suchen.
„Ich hab mein Blut untersuchen lassen, als ich mir vor zwei Jahren die Pille verschreiben ließ.“
„Was?“ Ian versuchte, sich wieder auf das Thema zu konzentrieren, aber er hatte nur Nebel im Kopf, wie in seinen drogenbetäubten Zeiten. Molly Stratton besaß dieselbe Macht, wie ein Rauschgift, und er hungerte nach dem nächsten Schuss. Er hatte so schwer darum gekämpft, diese Sucht loszuwerden, dass er sie beinahe dafür hasste, ihn dahin zurückzuziehen.
„Ich sagte gerade, dass ich vor zwei Jahren mein Blut untersuchen ließ, als der Doktor mir die Pille verschrieb.“
„Zwei Jahre ohne Tests sind eine lange Zeit.“ Er rutschte auf dem Stuhl herum.
„Nicht, wenn man keinen Sex hat“, erwiderte sie beiläufig.
Zehn Sekunden lang blieb Ian absolut reglos. „Willst du mir erzählen, dass du seit zwei Jahren keinen Sex mehr gehabt hast?“
„Na ja, der Test war vor zwei Jahren. Aber ich glaube, zum letzten Mal mit jemand im Bett war ich eher vor drei Jahren.“ Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. „Im Zölibat zu leben ist nicht gerade ein Verbrechen, weißt du?“
„Sollte es aber sein“, schnaufte er. Das wollte ihm einfach nicht in den Kopf gehen. Er hatte instinktiv gewusst, dass sie nicht besonders viel Erfahrung hatte, aber drei Jahre! Wie war das überhaupt möglich? „Enthaltsamkeit oder Zölibat oder wie immer du es nennen willst, das ist einfach nicht natürlich. Wenn es das wäre, hätte uns die Natur nicht mit all diesen tollen Körperteilen ausgestattet, die das Vögeln zum Vergnügen machen.“
„So was kann auch nur ein Mann sagen.“ Sie schüttelte den Kopf.
„Na, Gott sei Dank“, meinte er trocken. „Erschieß mich bitte, wenn ich anfange, wie ‘ne Tusse zu reden.“
„Geht nicht“, sagte sie leichthin, er konnte das Grinsen in ihrem Mundwinkel gerade noch erkennen. „Keine Knarre.“
„Ich auch nicht. Halte nichts von den Dingern. Aber wir können uns immer eine von Riley ausleihen.“
Sie hatte einen fragenden Blick in den Augen, sagte aber nichts, und er machte sich nicht die
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