Wenn der Hunger erwacht (German Edition)
war. „Beim ersten Mal konnte ich mir gar nicht vorstellen, wie toll du dich anfühlst, Molly. Doch im zweiten Traum war alles an dir noch weicher und wunderbarer.“
Molly schluckte, wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Schönen Dank auch? War mir ein Vergnügen? Wie kann das derselbe Mann sein, der mir vor noch nicht vierundzwanzig Stunden befohlen hat, ich soll ihn verdammt noch mal in Ruhe lassen? Ihre Unentschlossenheit spielte allerdings gar keine Rolle, denn sie brachte sowieso nichts anderes zustande als atemloses Schweigen.
Er umfasste ihr Kinn, strich mit dem Daumen über ihren Mundwinkel, einmal … zweimal, ihre zitternden Lippen nicht aus den Augen lassend, die von diesen brennenden Küssen noch besonders empfindlich waren. „Also, ich geh dann mal duschen.“
Molly schluckte den Kloß in ihrer Kehle runter und sah ihm nach. Wirklich unfair, dachte sie, dass ein Kerl von vorne und hinten so toll aussehen konnte. Sie sah ihn überhaupt zum ersten Mal von hinten, und sie konnte sich nicht helfen, der Anblick gefiel ihr. Die feuchte Jeans war schmutzbedeckt, aber sein muskulöser Hintern und die mächtigen Oberschenkel sahen einfach perfekt darin aus.
Ihr Blick glitt nach oben, über die geschmeidige, betörende Schönheit seines Rückens, die tiefen Furchen neben seinem Rückgrat, die breiten Schultern, und dann schnappte sie plötzlich nach Luft und konnte selber nicht glauben, was sie da sah. In dem Augenblick, in dem sie die dunkle, komplex verschlungene Tätowierung zwischen seinen Schulterblättern erblickte, durchfuhr sie ein unglaublicher Schock. Sie wusste selber nicht, wieso diese Darstellung so eine starke Wirkung auf sie hatte – aber sie spürte sofort ihre Macht, die wie eine physische Berührung auf ihren Nerven wirkte. Die Tätowierung war von einzigartiger Schönheit. Ein dickes Kreuz, wie das Malteserkreuz, mit vier gleichlangen Armen, die mit kleinen, komplizierten Symbolen bedeckt waren.
„Ian“, flüsterte sie voller Erstaunen.
Schon an der Badezimmertür, warf er einen neugierigen Blick über die Schulter. „Ja?“
„Wo hast du dieses Tattoo her?“
Ein merkwürdiger Ausdruck huschte über sein Gesicht. „Das Tattoo? Aus Los Angeles.“
„Nein, ich meine das Design. Wo kommt das her?“
Eine Sekunde hielt er ihrem Blick stand. „Keine Ahnung“, murmelte er dann, ging ins Bad und schloss die Tür hinter sich.
Gedankenverloren sank Molly auf die Matratze und glotzte ins Leere, ohne dieses seltsame, beunruhigende Gefühl böser Vorahnungen bewältigen zu können. Diese Gestaltung musste etwas zu bedeuten haben. Da war sie ganz sicher. Sie wusste nur nicht, was dahintersteckte. Die Antwort war zum Fassen nah und doch nicht erreichbar, wie Rauch, der ihr immer wieder durch die Finger glitt. Sie glaubte nicht, so etwas schon einmal irgendwo gesehen zu haben, obwohl es vielleicht in einem der Sammlerstücke in der Paper Mill abgebildet gewesen war. In diesem antiquarischen Buchladen arbeitete sie nun schon seit einigen Jahren, und ihre Pausen verbrachte sie oft in der Abteilung für Paranormales, wo sie dicke alte, ledergebundene Werke durchblätterte. Hatte sie die Tätowierung in einem der überteuerten Schinken gesehen? Oder in einem Traum? Oder bildete sie sich das alles nur ein?
Oder hatte sie einfach nur den Verstand verloren … war sie tatsächlich so verrückt geworden, wie dieser anziehende Mann da unter ihrer Dusche glaubte?
Selbst nach allem, was er heute Nacht durchgemacht hatte, dem entsetzlichen Monster, den Biss- und Kratzwunden, selbst nach diesen komischen geteilten Träumen – sie wusste immer noch nicht, ob Ian ihr glaubte, dass sie die Stimme seiner Mutter hören konnte. Ob er ihr glaubte, dass ihre Mutter wirklich aus dem Jenseits zu ihr sprach.
Was kümmert dich das überhaupt? , flüsterte ihre innere Stimme der Vernunft. Es ist ganz egal, was Ian Buchanan von dir hält, solange du nur erledigst, weshalb du hierhergekommen bist. Solange du es durchziehst bis zum Ende. Du solltest dich sowieso nicht mit ihm einlassen. Hast du denn deine Lektion beim ersten Mal nicht gelernt?
Molly kniff die Augen zusammen. Sie hasste diese verfluchte Stimme, und wenn sie noch so sehr recht haben sollte.
Und natürlich hatte sie recht. Es war ja was dran an dem alten Sprichwort: Was wir haben wollen, ist meist nicht das, was wir brauchen. Auf sie traf diese Weisheit jedenfalls zu. Sie mochte Ian Buchanan mehr begehrt haben als irgendetwas anderes in
Weitere Kostenlose Bücher