Wenn der Hunger erwacht (German Edition)
des Konsortiums gefangen.“
Quinn beugte sich vor, stützte die Ellbogen der verschränkten Arme auf den Tisch und machte weiter, wo Scott aufgehört hatte. „Das ist aber noch nicht das Ende der Geschichte. Es gibt eine alte Zigeunerlegende, die unter den europäischen Stämmen weitergegeben wurde. Dabei handelt es sich um eine Prophezeiung, dass die Casus eines Tages entkommen und wieder die Erde unsicher machen würden.“
„Wie soll das denn passieren?“, wollte Ian wissen.
Quinn hob die Schultern. „Wiederum sind die Einzelheiten unklar. Aber es wird gesagt, dass der Tag kommen würde, an dem die Casus, begierig nach Rache, einen Weg finden, einen Schatten zurück in diese Welt zu senden, auf der Suche nach ihren Todfeinden, den Merrick. Die Zigeuner glauben, ein bestimmter Merrick wird auferstehen und die Casus bekämpfen, damit die natürliche Ordnung bestehen bleibt. Wegen dieser alten Legende waren die Watchmen dafür verantwortlich, die Abstammungslinien der mächtigsten Merrick zu beobachten, für den Fall, dass die Zeit des Erwachens kommt. Es gibt solche Anlagen wie diese hier auf allen Kontinenten, alle mit Watchmen besetzt, die Überwachungsmaßnahmen durchführen, den jeweiligen Status jedes einzelnen Merrick im Auge behalten. Wir haben immer gehofft, die Legende würde sich als unwahr, eben doch nur als Legende erweisen, aber wie Sie wissen, ist die Zeit nun doch gekommen. Und Sie sind der erste Merrick, der erwacht.“
„Warum ich?“ Ian hatte ein raues Kratzen in der Stimme.
„Es hat schon seinen Sinn, dass Sie als Erster erwachen“, erklärte Scott ihm bereitwillig. „Der Stammbaum der Buchanans wurde immer als einer der stärksten angesehen. Und Sie sind der älteste Sohn. Daher haben wir Sie nie aus den Augen verloren, seit Sie ein kleiner Junge waren.“
„Sie wollen mich doch verarschen“, schnaubte er.
Bei dieser Wortwahl und diesem Tonfall verzog Scott leicht den Mund. „Nicht im Geringsten. Wir sind Ihnen gefolgt, nachdem Sie Ihr Zuhause verlassen hatten. Haben Sie während all dieser unappetitlichen Jahre in Los Angeles beobachtet. Lange Zeit fragten wir uns, ob Sie sich schlicht und einfach selbst zerstören würden, aber dann haben Sie sich schließlich doch noch zusammengerissen und sind in die Nähe Ihres Bruders gezogen. Diese Entscheidung hat Ihnen das Leben gerettet“, murmelte er. „Niemand mit einem derartigen Lebenswandel hätte lange überleben können.“
„Aber wieso haben Sie denn so lange gewartet?“, fragte Molly mit leichtem Zorn in der Stimme. „Wenn Sie die ganze Zeit wussten, wo Ian war und was auf ihn zukommen könnte, dann hätten Sie sich doch längst mit ihm in Verbindung setzen und ihn vorbereiten können.“
Scott bedachte sie mit einem arroganten Lächeln. „Und hätte er uns wohl geglaubt?“
„Das weiß ich nicht“, antwortete Molly. Ian erkannte an der leichten Veränderung in ihrem Tonfall, dass sie etwas aus der Fassung war. „Aber wenn Sie es versucht hätten, wäre vielleicht das Leben einer Frau gerettet worden.“
Ihre Worte trafen Scott, sein Lächeln verblasste, und er verkrampfte die Schultern. Er sah aus, als wolle er gleich einen Fluch ausstoßen. Stattdessen sagte er mit ruhiger Stimme: „Es ist nicht unsere Art, uns einzumischen.“
„Dann ist Ihnen also völlig egal, dass eine unschuldige Frau sterben musste?“ Molly kochte beinahe vor Wut.
„Das habe ich nicht gesagt“, konterte Scott mit grimmiger Miene. „Aber es gibt Regeln, an die wir uns halten müssen. Sehr genaue Regeln. Schon dadurch, dass wir Sie hierhergebracht haben, brechen wir diese Regeln, riskieren wir die Sicherheit dieser Anlage wie auch die Missbilligung des Konsortiums, weil wir ohne seine Zustimmung gehandelt haben. Und selbst wenn wir etwas tun könnten, wir wissen doch gar nicht, wo dieser Casus jetzt steckt. Quinn hätte ihn letzte Nacht verfolgen können, aber Buchanans Sicherheit war wesentlich wichtiger.“
„So, Regeln“, meinte Ian abschätzig. „Putzig, aber von so was hab ich noch nie was gehalten.“
„Ist uns aufgefallen“, höhnte eine tiefe Stimme, die aus einer der im Dunkeln liegenden Ecken der Küche kam. Ian blickte über die Schulter und konnte den Umriss eines gigantischen Riesen erkennen, dessen goldene Augen im Schatten blitzten.
„Erlauben Sie mir, Ihnen unseren Kollegen vorzustellen“, sagte Scott. „Das ist Aiden Shrader. Aiden, dies sind Ia…“
„Ich weiß, wer sie sind“, krächzte der
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