Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause
besser merken kann. Nämlich mit Nemo-Techniken.» Dass der Film «Findet Nemo» mit dem Merken von Begriffen nichts zu tun hatte, war schnell geklärt, ebenso die Tatsache, dass der Begriff korrekt «Mnemo» hieß, eine Methode, mit der man die zu lernenden Begriffe in eine Geschichte einbindet. Frau Finke ließ Daniela die Technik erklären, und so lernten wir das wohl sinnvollste Element im gesamten Workshop nicht durch das pädagogisch wertvolle Lernkonzept, sondern durch das extensive Fernsehgucken von Daniela. Eins zu null für Herrn Jauch.
Da soll nochmal einer behaupten, Fernsehen mache dumm. Frau Finke ging vermutlich nur deshalb näher auf Daniela ein, weil sie die Sendung ebenfalls gesehen hatte. Und eine Show, die sie geschaut hatte, musste gut sein, sonst hätte sie den Fernseher ja ausgeschaltet. Lehrer würden sich doch nicht billiges Trash- TV antun oder in ihrer Freizeit sonst etwas Unnützes machen. Eine Zeitschrift, eine Produktverpackung oder ein Zeitungsartikel wird ja erst dadurch ein mögliches und wertvolles Unterrichtsrequisit, dass der Lehrer es findet, prüft und für gut befindet und dann für die Schüler kopiert. Was für Kirchen und Paläste die Vergoldung von Statuen und Schätzen ist, ist für den Lehrer an sich das Kopieren eines Blattes. Der Begriff «Blattgold» bekommt in diesem Zusammenhang eine ganz andere Bedeutung …
Nun gut, nicht immer kann man die schulischen Anforderungen mit Hilfe von Fernsehkonsum erfüllen: Nur wenige Wochen später besprachen wir mit Herrn Löchel in Erdkunde Möglichkeiten, um das Klima und damit den Regenwald und die Artenvielfalt zu schützen. Danielas Vorschlag: «Krombacher trinken, möglichst viele Kästen. In der Werbung sagen die, die tun dann was für den Regenwald.» – Zwei zu null für Herrn Jauch.
Am Nachmittag nach dem Seminar trafen Thomas, Orhan und ich uns zum Computerspielen. Fabio fehlte, denn er musste lernen, weil er in der letzten Mathearbeit eine Fünf geschrieben hatte und die nächste Prüfung bald anstand. Wir sprachen über den Workshop und den Lerntypentest. Orhan, der in einer anderen Gruppe als Thomas und ich gewesen war, hatte dazu eine klare Meinung: «Ey, Unsinn, Alter. Unsinn! Hab isch bei ‹Sehen› fast alles gewusst, außer eins, isch schwör. Hab isch Rakete gesagt, war aber Staubsauger. Ey, isch schwör, das sah aus wie Rakete.»
Danke, Orhan. Es lag also doch nicht an meinen Augen. Die für alle Gruppen ausgegebenen und anscheinend schlecht erkennbaren Druckvorlagen für die Merkgegenstände waren also der Grund für meinen Raketenaussetzer.
Nachdem wir über den Lerntypentest in ausführlicher Form gelästert hatten, überlegten wir, wie man Fabio helfen könnte und warum er seinen Schulkram nicht gebacken bekam. Orhan meinte lässig nebenbei: «Er denkt halt nicht an die ‹Alpen›.» – «Alpen?», fragten Thomas und ich fast gleichzeitig. Orhan grinste: «Is voll krass. Jeder Buchstabe in dem Wort ‹Alpen› steht für einen Arbeitsschritt, den man bei Schulaufgaben beachten soll. Ey, fragt mich jetzt nicht, welche Schritte, ich merk mir doch nicht so ’n Scheiß. Habt ihr nicht die Alpen-Methode gelernt in eurer Gruppe?»
Nein, hatten wir nicht, und vielleicht war das auch besser so. Das Wort «Alpen» besteht immerhin aus fünf Buchstaben, was folglich fünf Arbeitsschritten entsprechen musste. Uns war ja schon
ein
Arbeitsschritt zu viel. Obwohl wir eigentlich hätten froh sein können, dass das höchste Gebirge in Deutschland die Alpen waren. Den Buchstaben entsprechende Schritte beim Kilimandscharo durchzugehen, wäre mir persönlich eindeutig zu viel Arbeit gewesen. Die armen Kinder in Tansania. Da hatten wir nochmal Glück gehabt.
Der Leisefuchs
Eine weitere Errungenschaft des «Lernen lernen»-Seminars war der sogenannte Leisefuchs. Bis dato riefen die Lehrer einfach «Ruhe!» oder hielten den Zeigefinger vor die Lippen und machten «Pscht!», aber nun hatten sie den Leisefuchs als Verbündeten gegen die lautstarke Schülerschaft kennengelernt. Dieses putzige Tierchen stellt man mit der Hand dar: Man lege Mittel- und Ringfinger auf den Daumen auf und strecke den Zeigefinger und den kleinen Finger nach oben und voilà: Schon hat man den Leisefuchs.
Er sollte uns an die Haltung erinnern, die wir im Unterricht einnehmen sollten: Mund zu, Ohren gespitzt. Aufmerksam wie ein Fuchs eben. Ich glaube, einige Lehrer kamen sich selber etwas dumm vor, wenn sie mit dieser Handhaltung vor der
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