Wenn der Keks redet, haben die Krümel Pause
Platz belegt hat? Hätte sie nicht ohne die Schule viel mehr Zeit zum Üben gehabt und Erste werden können? Aber es macht sich gut, solche Artikel auf seiner Stellwand präsentieren zu können. Die Stellwand einer Schule ist das, was für einen Millionär das Ferienhaus auf Sylt ist: Es muss perfekt aussehen. Die Botschaft muss lauten: «Sehen Sie, wenn Sie Ihr Kind auf dieser Schule anmelden, dann kann es etwas erreichen, selbst wenn es ein hirnloser Affe ist.» Und es funktionierte. Am Ende hatte unsere Schule immer viel zu hohe Anmeldungszahlen, sodass viele Kinder abgelehnt werden mussten. Selbst das legte man wieder positiv aus und nahm es beim nächsten Tag der Offenen Tür als Beweis dafür, wie toll die Schule angesichts derart hoher Bewerberzahlen doch sein musste. Schaute man sich nur diesen Propagandatag an, so konnte die Absage unserer Schule nichts anderes als das berufliche und soziale Scheitern des Kindes bedeuten. Nur bei uns hätte es doch überhaupt eine Chance gehabt. Alle anderen Schulen bereiteten doch lediglich auf die Ausfüllung von Hartz- IV -Anträgen vor.
Auch der Unterricht war am Tag der Offenen Tür ganz anders als sonst. Wir machten plötzlich ausschließlich schöne Dinge, und es fehlte eigentlich nur noch, dass wir uns an den Händen genommen, «Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann» gesungen hätten und im Kreis gehüpft wären. Da wurden Theaterstücke aufgeführt und Musik gemacht, dass es eine Freude war. Kurzum: Es wurden Dinge präsentiert, die es ohne den Tag der Offenen Tür gar nicht gegeben hätte.
Wie einfach die Besucher doch zu blenden waren! Wir Schüler mussten auf ganzer Linie unseren Beitrag dazu leisten. Vor allem dann, wenn wir zu unserer Schule etwas gefragt wurden. Wehe, da sagte einer etwas Negatives! Wenn das herauskam – gute Nacht. Lügen war angesagt. Oder, freundlich ausgedrückt: Wir übten, wie man ein Produkt oder ein Unternehmen – in dem Fall unsere Schule – in positivem Licht erscheinen lässt.
Aus ungenutzter Technik wurde dann schnell «ein großes technisches Aktionspotenzial». Das Schulklima wurde stets als sehr warmherzig beschrieben, auch wenn es am Vortag noch eine Massenschlägerei auf dem Schulhof gegeben hatte. IMMER alles positiv darstellen. Dann sagte man halt statt «Schlägerei», dass wir uns sehr stark mit uns auseinandersetzen. Wenn ein großes Unternehmen Hunderte von Mitarbeitern auf die Straße setzt, ist das ja schließlich auch keine Entlassung, sondern eine Optimierung des Kostenbaums im personell flexiblen Sektor. Entscheidend ist, wie man es nennt. Das Image der Schule muss eben gepflegt werden.
Um dies zu tun, hat unsere Schule auch gerne immer mal wieder Plakate gedruckt, auf denen das Programm des Tags der Offenen Tür unter der Überschrift «Wir laden ein» zu sehen war. Alleine diese Überschrift hätte mich, wenn ich als Elternteil diese Schule besucht hätte, dazu veranlasst, zum Schulleiter zu gehen und zu sagen: «Sie brauchen mich nicht einzuladen. Es besteht Schulpflicht. Ich
muss
mein Kind irgendwo unterbringen.»
Aber die Designer dieser Plakate setzten gerne noch einen drauf. Im Hintergrund erstrahlte das sonst durch seinen Betonklotzcharakter auffallende Schulgebäude, als wäre es gerade erst erbaut und frisch gestrichen worden. Was man mit Hilfe von Bildbearbeitungsprogrammen nicht alles machen kann.
Gerne waren am Rand eines solchen Posters dann auch Schüler abgebildet. Natürlich waren die immer überglücklich und strahlten, weil sie so froh waren, auf diese Schule gehen zu dürfen. Was waren wir glücklich am Tag der Offenen Tür!
Bei den abgebildeten Schülern handelte es sich meist um ausgewählte, oft international aussehende Mitschüler, da die Schule sich weltoffen zeigen wollte. Ist ein hoher Ausländeranteil sonst oft ein vorgeschobener Grund für Komplikationen, so erfüllten diese Schüler nun den Zweck, die Schule zu bewerben. Immer nach dem Motto: «Seht her. Wir haben sogar Chinesen auf der Schule, wir müssen gut sein!» Und manche haben das vielleicht auch geglaubt. Ist ja auch ein ziemlich weiter Schulweg aus China zu uns. Wenn das jemand auf sich nimmt …
Wie unrealistisch ein Tag der Offenen Tür das Bild einer Schule darstellt, zeigt sich schon an der Terminierung. Er fand immer an einem Samstag statt. Klar, die Besucher sollten ja schließlich auch Zeit haben zu kommen. Aber samstags in einer Schule zu sein, ist für einen Schüler meiner Generation völlig undenkbar. So kam
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