Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt
schützende Unterholz, verfluchte es aber gleichzeitig. Einige Meter weiter vorne sah er die Männer. Sie saßen auf Steinquadern in der Nähe einer Felsspalte. Nein, keine Felsspalte, denn so exakt dreieckig geformte Deckenöffnungen oder gerade Seitenwände kamen in der Natur nicht vor.
Er hatte den Tempel gefunden. Mit etwas Mühe konnte er dort im dichten Grün waagerechte Strukturen ausmachen, an verschiedenen Stellen schimmerte weißer Stein durch die Pflanzendecke. Die Männer wirkten ganz entspannt, sie rauchten und schienen auf etwas zu warten, der Gestank ihrer Glimmstengel war sogar noch schlimmer als der Modergeruch des Dschungels. Jake sah Pistolen und Kalaschnikows, Sprengstoffladungen konnte er jedoch keine entdecken – hatten sie die bereits angebracht? Und falls ja, wo?
Während er sich noch eine Vorgehensweise zurechtlegte, nahm er hinter sich eine Bewegung wahr. Irgendjemand kam den Pfad vom See hergelaufen, und das nicht besonders leise.
Rasch kroch er den Weg zurück, wie er gekommen war, bis zu der Kurve, die sich, so hoffte er außer Hörweite von Hectors Männern befand. Ein junger Mann kam den Weg entlang. Er trug einen kleinen Beutel vor der Brust und taumelte wie jemand, der bereits erschöpft war, aber nicht aufgeben wollte. Er war knallrot im Gesicht und hatte den gehetzten Blick eines Tieres, das vor einem Waldbrand flieht.
Was zum Teufel? Jetzt musste er sich auch noch um einen Zivilisten kümmern, der mitten in seinen Einsatz hineinstolperte? Ihm blieb nichts übrig, als sich den Jungen zu schnappen und herauszufinden, was ihn hergeführt hatte.
Jake wartete, bis der Kerl an ihm vorbeikam, stand auf, trat hinter ihn – ohne, dass ihn der andere Mann bemerkt hätte, dafür atmete er viel zu laut –, nahm ihn in den Schwitzkasten und hielt ihm den Mund zu.
»Ich werde dir nichts tun«, flüsterte er ihm ins Ohr. Der Junge erstarrte. »Sprichst du Englisch?«
Der Fremde nickte. Sein Atem ging noch schneller, er rang panisch nach Luft, bis Jake schon fürchtete, er würde noch ohnmächtig werden.
Unter den Achseln ertastete Jake zwei rechteckige harte Kästchen, die ins T-Shirt des Jungen eingenäht und durch Drähte mit der Tasche vor seiner Brust verbunden waren. Ein weiteres dickes Kabel führte vom Beutel unter den Saum des T-Shirts. Obwohl sich die Kästchen nicht wie Sprengstoff anfühlten, hörte er ein leises Ticken und ein Surren, das vom Körper des Jungen ausging.
»Trägst du eine Bombe?«, fragte Jake und zog dem Jungen das T-Shirt hoch. Jetzt wehrte er sich doch und hielt eine Hand schützend vor den Bauch.
Jake lockerte den Griff vor seinem Mund. »Ganz leise. Was ist das?«
»Ein künstliches Herz. Pumpe.« Der Junge deutete auf den Beutel. »Und Akkus.« Er klopfte auf die seitlich eingelassenen Kästchen.
So wie er keuchte und nach Luft schnappte, glaubte Jake ihm sofort. »Wir müssen hier verschwinden. Kein Wort.« Jake zerrte ihn den Pfad entlang zurück, bis er ganz sicher sein konnte, dass sie außer Hörweite der Soldaten waren. »Entspann dich, ganz ruhig, ich will mich nur mit dir unterhalten.«
Jake ließ den Jungen los – es war offensichtlich, dass er keine Gefahr darstellte. Falls es dennoch nötig sein sollte, könnte Jake ihn jederzeit wieder ruhigstellen. Aber ein verängstigter Zivilist würde sich so schneller beruhigen und wieder verständlich ausdrücken.
Der Junge wandte sich ab, fasste sich an die Kehle und tastete seinen Bauch ab. Er hob das T-Shirt, überprüfte die Verkabelung, dann erst entspannte er sich ein wenig.
»Wer sind Sie?«, fragte er Jake mit lauter Stimme. Viel zu laut. Jake hob einen Finger an die Lippen und drängte ihn noch ein wenig weiter den Weg entlang, weg von Hectors Männern. »Bitte helfen Sie uns. Sie müssen zur Klinik. Bevor er sie alle umbringt.«
Die Sonne war aufgegangen – und Maria schweißüberströmt, als sie sich die letzte Schraube vornahm. Ihre Hände waren voller kleiner Einschnitte, weil der Meißel so scharf war; ihr fiel es zunehmend schwer, ihn festzuhalten, weil das Blut und der Schweiß auf ihren Handflächen einen klebrigen Film bildeten. Außerdem verkrampften sich ihre Finger inzwischen schon vor Anstrengung. Eine gute Übung für die Ausgrabungsarbeit, sagte sie sich, biss die Zähne zusammen und machte sich an das letzte Hindernis, das noch zwischen ihr und dem Fluchtweg stand.
Ausgerechnet diese Schraube war allerdings schwerer zu lösen als die vorherigen, denn sie steckte in
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