Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt
der untersten Ecke und trug das ganze Gewicht der Klappe, sodass Maria mit einem Knie die Klappe abstützen und gleichzeitig mit beiden Händen die Schraube lösen musste. Nach ein paar Minuten bekam sie entsetzliche Rückenschmerzen, doch sie ignorierte den Schmerz und konzentrierte sich auf die vor ihr liegende Aufgabe.
Endlich bewegte sich die Schraube ein wenig – doch dann verkantete sie sich plötzlich. Sie hob und senkte die schwere Klappe, versuchte, den Meißel unter die Schraube zu schieben, um das Gewinde zu lockern, und schlug kräftig darauf ein, was allerdings mehr ihrem Frustabbau diente, als dass es tatsächlich etwas ausgerichtet hätte.
Nichts half. Sie setzte den Meißel neu an, stemmte sich mit dem ganzen Körpergewicht dagegen und versuchte es ein letztes Mal.
Ein berstendes Geräusch war zu hören, dann sprang eine Ecke der Klinge ab und flog gegen die Wand. Was vom Werkzeug übrig blieb, war eine unregelmäßig gezackte Klinge, die zu dünn auslief, als dass sie in die Schraube gepasst hätte.
Maria starrte auf die zerbrochene Klinge, ohne die Tränen zu bemerken, die ihr die Wangen hinunterliefen. Nur noch diese eine Schraube. Nein, nein, nein, das durfte einfach nicht wahr sein. Wie viel Zeit ihr wohl noch blieb, bis sie sie holen würden? Sie musste fliehen.
Nach dem Aufstehen stützte sie sich auf den Waschbeckenrand. Ihr wurde schwarz vor Augen, nicht nur ihr Kreislauf versagte, auch die Angst drohte sie zu überwältigen. Wenngleich sie ihren Frust am liebsten hinausgeschrien hätte, blieb sie stumm. Inmitten der wilden Schreie der anderen Frauen war ihr Schweigen wie ein kleiner Schutzschild.
Sie drehte sich um und schlang die Arme um den Oberkörper, der einzige Trost, der ihr noch blieb. Ihre Panik verebbte. Staubkörner fingen sich in den Sonnenstrahlen, die in ihre Zelle fielen. Die Maya hatten an die Macht der Sonne geglaubt. Ihre Könige galten als Reinkarnation des Sonnengottes. Wenn sie doch nur einige dieser Strahlen festhalten und sich an ihnen hinaushangeln könnte.
Als sinnlose Zeitverschwendung hatte ihr Vater Marias Vorliebe für Sagen und Mythen abgetan. Am Ende hatte er wohl doch recht behalten.
Sie blickte wieder auf das zerbrochene Werkzeug hinab. Als Schraubenzieher war der Meißel nicht mehr zu gebrauchen, aber dort, wo die Klinge gebrochen war, war sie jetzt schärfer als zuvor. Maria wandte sich zur Tür, ihr fiel erst jetzt auf, dass die Wehklagen der Insassinnen verstummt waren. Draußen war es still. Sie rannte zur Tür, konnte aber nichts erkennen, bis auf die Frau in der gegenüberliegenden Zelle, die in einer Ecke auf dem Boden kauerte und sich eine Hand vor den Mund hielt, um ihre Schreie zu ersticken.
Dann hörte sie, was die anderen Frauen schon vor ihr mitbekommen hatten. Schritte.
Sie waren hier. Um sie zu holen. Maria trat von der Tür weg und umklammerte den Meißel. Wenn sie es lebend hier raus schaffen wollte, würde sie kämpfen müssen.
35
»Wer zum Teufel sind Sie?«, fragten der angekettete Mann und Caitlyn sich gleichzeitig. Überraschenderweise in exakt demselben Befehlston, einer Art verärgertem Flüstern.
»Caitlyn Tierney vom FBI «, antwortete Caitlyn als Erste. Sie blickte über die Schulter zurück in den Flur. Das Geräusch hatte niemanden aufgeschreckt. Gut. Sie kramte in ihren Taschen, schnappte sich den kleinen wasserdichten Beutel mit ihrem Schlüsselset und ging auf den Mann zu. »Und Sie sind?«
»Dr. Kevin Cho. Schätze, für Handschellen ist wohl keiner dabei?«
»Sollte man immer dabeihaben.« Tatsächlich trug Caitlyn mehrere solcher Spezialschlüssel bei sich – eine Sicherheitsvorkehrung, nachdem sie letzten Sommer einem Serienkiller in die Hände gefallen war, der sie an Händen und Füßen gefesselt ins Wasser geworfen hatte. Sie fand den richtigen und öffnete seine Fesseln.
Dr. Cho stand auf, stützte sich mit einer Hand am Waschbecken ab und schüttelte die andere aus, um wieder Gefühl darin zu bekommen. Die werden bald zurück sein.«
»Haben Sie dieses Mädchen gesehen?« Caitlyn zeigte ihm Marias ebenfalls in einem Plastikbeutel verpacktes Foto.
»Ja. Das ist Maria. Sie halten sie oben in einer der Zellen gefangen.« Ohne auf sie zu warten, rannte er zur Tür und schob sie einen Spalt auf. »Es kommt jemand.«
Sie winkte ihn zurück und bedeute ihm, sich wieder in die Ecke zu setzen, wo er vorgab, immer noch gefesselt zu sein, während sie sich mit gezückter Waffe hinter der Tür postierte.
Ein
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