Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt
Stellte sich vor, wie sie mit Carver am Strand lag. Unwillkürlich musste sie lächeln. Dennoch sagte sie: »Wag es ja nicht! Der Staatsanwalt würde Amok laufen.«
Sein Seufzen hallte in der Leitung nach. »Okay, ist ja gut. Ich werde nicht kommen. Du hast gesagt, Marias Eltern stammen aus Guatemala. Vielleicht ist da in der Vergangenheit etwas vorgefallen?«
»Falls dem so ist, konnte ich das bislang noch nicht herausfinden. Sieht nach einem grundehrlichen Aufstieg aus. Guatemala haben sie verlassen, als Maria zwei Monate alt war, dann in Miami ihre Biotech-Firma gegründet, mit der sie reich geworden sind, und sie bekamen die amerikanische Staatsbürgerschaft. Auch die Suche in unseren Datenbanken hat nichts ergeben.«
»Vielleicht suchst du nur nicht am richtigen Ort.« Sie konnte das Grinsen aus seiner Stimme heraushören. Carver liebte Herausforderungen. »Ein Finanzexperte ist möglicherweise genau das, was dir fehlt.«
»Das kann sein. Aber wir handhaben das inoffiziell. Diese Familie ist gut vernetzt. Nur der kleinste Hinweis auf Ärger, und wir sind alle geliefert – auch Yates.« Und ob ihr das nun gefiel oder nicht, ohne Yates wäre ihre Stelle zunichte, gäbe es keine Local Law Enforcement Liaison.
»Kein Problem. Ich werde keinerlei Spuren hinterlassen.«
Auf diesem Bett konnte sie einfach nicht bequem liegen, also wälzte sie sich wieder zur Seite und stand auf. In der Dunkelheit war der Ozean nicht zu sehen, dennoch legte sie eine Hand an die gläserne Schiebetür vor ihrem Balkon und schaute hinaus. In einiger Entfernung tanzten die Lichter eines Kreuzfahrtschiffes auf und ab – sie konnte jedoch nicht erkennen, ob es sich um die Caribbean Dream handelte oder nicht.
»Ich darf die Hoffnung nicht aufgeben, dass wir sie da draußen finden und sie gerade die beste Zeit ihres Lebens hat. Im Schlamm gräbt, verlorene Schätze hebt, was auch immer. Einfach ihre Freiheit genießt.« Caitlyn seufzte. »Gott, ich fühle mich so alt. Ich erinnere mich kaum noch daran, wie es war, so jung zu sein.«
»Du bist erst fünfunddreißig. So lang ist das noch nicht her.«
»Kommt mir aber vor wie eine Ewigkeit.«
»Was für Dummheiten hast du angestellt, als du an der Uni und endlich von deinen Quäker-Großeltern weg warst?« Ihre Mutter erwähnte er absichtlich nicht.
Sie dachte an die Collegezeit zurück. Und lächelte trotz ihrer Müdigkeit. »Schätze, ich war Maria ziemlich ähnlich. Hab jede Menge Blödsinn gemacht.«
»Was denn?«
»Einmal habe ich auf einer Party einen Kerl kennengelernt, und im Gespräch haben wir beide festgestellt, dass wir noch nie in New York City waren, also haben wir uns in sein Auto gesetzt und sind einfach losgefahren. Niemand wusste, wo ich war oder mit wem, und ich kannte den Kerl gar nicht, aber es fühlte sich einfach gut an. Wie ein großes Abenteuer. Als könnte ich endlich selbst über mein Leben bestimmen.«
»Er war also ganz offensichtlich kein Serienmörder oder so.«
»Nein, einfach nur ein Junge aus Hagerstown. Wir sind dann gegen zwei Uhr morgens in der Stadt angekommen und mussten immer weiterfahren, weil wir kein Geld für einen Parkplatz oder ein Hotelzimmer hatten. Wir waren am Times Square – selbst mitten in der Nacht noch voller Menschen – und am Broadway, und dann war da dieses schöne schmale keilförmige Gebäude, das immer auf Fotos von New York zu sehen ist …«
»Das Flatiron Building.«
»Genau. Wir sind an jeder Menge Parkanlagen vorbeigekommen, aber ich glaube, der Central Park war nicht dabei. Am Ende haben wir an einem Ladedock am Fluss geparkt und uns dort den Sonnenaufgang angesehen, bis uns ein wütender Lastwagenfahrer vertrieben hat. Da erst wurde uns klar, dass wir kaum noch genügend Benzingeld für die Rückfahrt hatten, also sind wir umgedreht. Niemand hatte mitbekommen, dass wir dort waren.«
Als sie sich daran erinnerte, wie frei sie sich damals gefühlt hatte, entfuhr ihr ein weiteres Seufzen. Keine Regeln oder Vorschriften, kein Chef, vor dem sie sich zu verantworten hatte, kein Anwalt, der ihr etwas anhängen wollte. Fast war sie ein wenig neidisch auf Maria und auf ihren Mut, einfach ihrem Herzen zu folgen. Bei den strengen Eltern war ihr das bestimmt nicht leichtgefallen.
»Und du?«, fragte sie Carver. »Als angehender Buchhalter an der Kansas State bestand dein Freizeitspaß vermutlich aus Küheschubsen.«
»Sehr komisch. Wir haben jede Menge verrücktes Zeug angestellt. Einmal habe ich sogar eine
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