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Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt

Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt

Titel: Wenn der Tod mit süßen Armen dich umfängt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. J. Lyons
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brüllten sie sich mehrere Minuten an, die wütenden Stimmen hallten durch die schummrige Grotte. Die am Ufer versammelten Familien drängten dichter zusammen und betrachteten die Szene mit angstvoll aufgerissenen Augen. Nein, das war nicht bloß Angst, sondern pures Entsetzen.
    Es sah aus, als hätten sie sich hier häuslich eingerichtet, jeder Bereich war ordentlich gefegt und aufgeräumt. Die Menschen hatten nur wenige Habseligkeiten dabei, darunter säckeweise Mais und mit Lebensmitteln gefüllte Kisten. Niemand machte einen ausgehungerten Eindruck. Wie konnte man nur auf diese Weise im Untergrund leben – was hatte Itzel gesagt? Sie wurden gejagt.
    Aber weshalb nur? Doch sicher nicht, weil sie Maya waren? Vielleicht, weil sie sich weigerten, dieses Gebiet aufzugeben, obwohl sie deswegen seit Jahrzehnten von Regierungsgruppen terrorisiert wurden? Caitlyn hatte auf der Fahrt hierher nicht viel von der Umgebung mitbekommen, aber was sie gesehen hatte, war keinesfalls so besonders gewesen, dass es sich dafür lohnen würde, zu sterben.
    Nur war dies wahrscheinlich ihre Heimat. Weswegen sie wohl doch bereit sein würden, dafür zu töten. Hatten die Entführer Hector deswegen hierherbestellt? Wer hätte mehr Grund, ihn umzubringen, als die Frau, der er das Kind geraubt hatte?
    »Schluss jetzt!« Caitlyns Kommando überraschte Itzel und Hector. Beide hielten mitten im Wort inne und drehten sich zu ihr um. Caitlyn konzentrierte sich auf Itzel. »Ist Maria hier?«
    Die Frau tastete wieder nach dem goldenen Kreuz und bewegte die Lippen wie in einem stummen Gebet. »Nein.«
    »Haben Sie irgendeine Ahnung, wo sie steckt oder wer sie entführt hat?«
    Itzel wiegte den Kopf hin und her. »Nein.«
    »Sie lügt«, sagte Hector. »In der Nachricht von ihr stand, wenn ich sie jemals lebendig wiedersehen will, soll ich mit Lösegeld hierherkommen.«
    »Nein, das stimmt nicht.« Wieder gingen die gegenseitigen Beschimpfungen auf Spanisch los.
    Jetzt wandte sich Caitlyn an Hector. »Woher wissen Sie, dass Itzel diejenige war, die die Lösegeldforderung gestellt hat?«
    Er starrte Itzel wütend an. »Sie hat ein ganz bestimmtes Schimpfwort gebraucht. In der Lösegeldforderung, die ich per SMS erhalten habe. Niemand sonst kennt dieses Wort. Deswegen wusste ich, dass Maria hier stecken muss. Ich werde nicht tatenlos herumsitzen, während meine Tochter in Gefahr schwebt, nicht einfach nur abwarten, wie ein Hund an der Kette.« Er schrie Itzel und alle anderen in der Höhle an: »Sagt mir, wo sie ist, oder ihr werdet alle sterben!«
    Seine Drohung hallte dröhnend durch die Grotte und verlor im ständigen Widerhall irgendwann jeden Sinn.
    Itzel richtete sich auf. Angesichts ihrer hoheitsvollen Gelassenheit wirkte Hector kindisch in seinem Zorn. »Ich habe keine Nachricht geschickt. Schon gar keine SMS – sehen Sie uns an, wir haben nichts, unser einziges Telefon funktioniert so weit weg von der Stadt gar nicht.«
    »Dann haben Sie jemanden in die Stadt geschickt, der die Nachricht für Sie gesendet hat. Hör endlich auf zu lügen und gib mir meine Tochter zurück!«
    »Ruhe jetzt«, befahl Caitlyn. »Itzel, bitte. Lösen Sie seine Fesseln. Wenn es sein muss, lassen Sie ihn meinetwegen weiter bewachen. Aber wenn wir Maria finden wollen, ehe es zu spät ist, müssen wir zusammenarbeiten und uns gegenseitig helfen.«
    Itzel starrte Caitlyn lange eindringlich an, dann nickte sie ihren Männern zu. Einer von ihnen schubste Hector wieder auf die Knie und hob seine Handgelenke an, der andere schnitt ihm die Fesseln durch. Hector stand auf, es gelang ihm, trotz der auf ihn gerichteten Waffen stolz und arrogant zu wirken.
    »Sie lügt«, sagte er. »Das ist es, was diese Tiere tun, sie lügen, betrügen, stehlen und morden.«
    »Sie waren derjenige, der gemordet und geraubt hat. Sie haben ein ganzes Dorf niedergemetzelt, das Land für sich beansprucht, gefoltert, vergewaltigt und unsere Kinder gestohlen.« Itzel sprach nicht laut, aber die Wut in ihrer Stimme verlieh ihr auch so genügend Ausdruck. Und auch wenn sie kleiner als Caitlyn war, ließ das Lichtspiel in der Höhle sie beinahe ebenso groß wie Hector wirken. »Aber ich habe vor langer Zeit akzeptiert, dass nicht ich, sondern Gott Sie richten wird, Oberst Alvarado. Meine Sorge gilt den Lebenden, den wenigen, die Ihre Schreckensherrschaft überlebt haben.«
    Caitlyn war inzwischen fest überzeugt, dass die Lösegeldforderung nur eine Finte gewesen war. Ein Trick, um Hector abzulenken,

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