Wenn der Wetterhahn kräht
und dabei klopft mir das Herz
bis zum Hals. Was soll Peter denn eigentlich für Cronkite herausfinden? Wer die
Fabrik angesteckt hat?«
»Genau«, sagte Helen. »Die Leute
behaupten nämlich, es sei Cronkites Bruder Brinkley gewesen.«
»Brinkley? Ich dachte immer, er arbeite
selbst dort. Martha Betsy Lomax hat mir erzählt, Brink sei ein wahrer Experte
für Seifenmatern. Da ich glücklicherweise immer die Kreuzworträtsel löse, wenn
Daniel mir nicht gerade zuvorkommt, wußte ich sogar sofort, was sie meinte.
Oder glaube es jedenfalls. Ich stelle sie mir wie Formen für Götterspeise vor,
bloß daß in diesem Fall eben Seife hineinkommt. Brinkley ist doch hoffentlich
nicht entlassen worden? Martha Betsy hat mir zu verstehen gegeben, daß er ein
guter, zuverlässiger, fleißiger Bursche ist. Sympathische Frau, hübsches
Häuschen, zwei Kinder, erfolgreich im Beruf, glückliche Ehe. Wie kommen die
Leute bloß auf die Idee, daß er so etwas Grauenhaftes tun könnte?«
»Brinkley hat einmal einen dummen
Scherz darüber gemacht, daß er eines Tages die alte Kanone abfeuern würde, die
genau auf die Fabrik zielt«, erklärte Helen. »Und Cronkite hat die Geschichte
dummerweise letzten Sonntag vor einer Jugendgruppe in Lumpkin Corners
ausposaunt. Anscheinend ist die Kanone tatsächlich losgegangen, kurz bevor das
Feuer in der Talgküche ausbrach. Und damit hat schließlich alles angefangen,
wie du sicher längst weißt, du hast ja die Nachrichten verfolgt. Peter glaubt
nicht, daß die Kanone den Brand verursacht haben kann, aber viele Menschen sind
anscheinend anderer Meinung.«
Iduna war immer noch nicht überzeugt.
»Woher wollen die wissen, ob die Kanone überhaupt abgefeuert wurde? Gibt es
denn Augenzeugen? In den Nachrichten wurde davon jedenfalls nichts gesagt.«
»Dann kannst du auch sicher sein, daß
es keine Zeugen gibt. Ich weiß auch nicht, Iduna, ich nehme an, die
Feuerwehrleute haben in das Rohr geschaut und dort Pulverspuren oder so etwas
gefunden. Ich habe zufällig gesehen, wie auf der Kugelpfanne — oder wie immer
das Ding auch heißen mag — etwas verbrannt ist. Peter hat es auch gesehen und
nimmt an, es sei Schwarzpulver gewesen. Mit Kanonen kenne ich mich nicht
sonderlich gut aus. Ich meine die Stelle hinten am Rohr, wo sie das Zeug
hineinschieben, damit die Kanone losgeht. Erinnerst du dich noch an die
Päckchen mit Knallfröschen, die man früher kaufen konnte? Die Zündschnüre waren
immer völlig verworren, und man mußte sie erst mühsam aufdröseln, bevor man sie
anzünden konnte. Und wenn man aus Versehen eine Zündschnur herausgezogen hatte,
ging der Knaller kaputt, und wenn man dann das Pulver anzündete, gab es keinen
Knall, sondern einen zischenden Blitz. Genau so hat das Zeug auch gebrannt.«
»Ich habe meine Knallfrösche immer
absichtlich kaputtgemacht«, sagte Iduna. »Ich fand das Funkensprühen viel
interessanter als die Knallerei. Wahrscheinlich ist es vernünftig, sie nicht
mehr zu verkaufen, aber irgendwie tut es mir leid, daß die Kinder heute den 4.
Juli nicht mehr so feiern können wie wir früher. Heutzutage verschaffen sie
sich die Dinger auch so und veranstalten ihre Knallereien, wann immer sie Lust
dazu haben. Es ist nichts Besonderes mehr, nur die armen Hunde haben noch
genauso große Angst wie früher. Meine Güte, unser alter Strolch ist immer schon
am 3. Juli nachmittags unter das große Doppelbett meiner Eltern gekrochen und hat
sich erst am 5. gegen Mittag wieder herausgetraut. Wir mußten ihm sein Futter
mit dem Besenstiel unter das Bett schieben. Obwohl ich zugeben muß, daß ich
trotzdem immer einen Riesenspaß hatte, genau wie alle anderen auch. Sind Kinder
nicht einfach gräßlich? Weißt du übrigens, daß ich bald wieder Stiefgroßmutter
werde?« fügte Iduna stolz hinzu und klang dabei ganz und gar nicht wie jemand,
der Kinder gräßlich fand.
Von nun an drehte sich das Gespräch nur
noch um das Thema Geburt, was Helen im Grunde sehr recht war. Sie war heilfroh,
endlich den Gestank von brennendem Fett, der sich in ihrer Nase festgesetzt
hatte, los zu werden, genauso wie das Bild des armen Huntley Swope, wie er mit
schweren Verbrennungen in seinem Krankenhausbett lag, während seine erschöpfte,
in sich zusammengesunkene Frau neben ihm wachte, und das häßliche Loch im
Fenster von Brinkleys hübschem Haus, das jemand eingeworfen hatte, der allen
Ernstes glaubte, daß der Seifenformenexperte verrückt genug gewesen war, um
eines schlechten Scherzes willen
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