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Wenn der Wetterhahn kräht

Wenn der Wetterhahn kräht

Titel: Wenn der Wetterhahn kräht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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Entweder sie waren früher
einmal beim Militär gewesen oder immer noch dort, dachte Helen, denn alle
schienen Kombinationen aus olivfarbenem Drillich oder Tarnstoff zu tragen und
hatten die Hosenbeine in schwere Schnürstiefel gestopft. Vielleicht hatten sie
aber auch nur einen kleinen Abstecher zu dem berühmten Outdoor-Ausstatter L. L.
Beans gemacht.
    Fast alle Männer wirkten ungepflegt,
ungekämmt und unrasiert, nur einer von ihnen, der einzige, dessen Drillichjacke
tatsächlich zur Hose paßte, war glattrasiert und trug das Haar kurzgeschoren.
Er schwang die Beine über die Bank und fixierte die beiden Frauen ungeniert. Er
hatte runde, topasfarbene Augen wie eine Eule, wie Helen feststellte, und
schenkte ihnen ein jungenhaftes Lächeln, während er darauf wartete, daß einer
der anderen ihm eine Cola und eine Tüte Mais-Chips aus dem Automaten holte.
Vielleicht lächelte er auch nur, weil sie so einen großen Picknickkorb hatten.
Jedenfalls lächelten sie zurück, als sie das Wäldchen verließen.
    »Hübscher Junge«, bemerkte Iduna.
    »Von wegen Junge«, protestierte Helen.
»Wetten, daß er der Älteste in der Gruppe ist? Du hast dich bloß von seinem
Haarschnitt und dem Katzenfischgrinsen täuschen lassen.«
    Helen klang ein wenig abwesend, da sie
sich darauf konzentrieren mußte, wie sie sich am besten in den Verkehrsfluß
einfädeln konnte. Beabsichtigte der verflixte Sattelschlepper etwa,
ausgerechnet jetzt, wo sie sich einordnen wollte, auf die rechte Fahrbahn zu
wechseln? Sie beschloß, lieber auf Nummer Sicher zu gehen und zu warten, bis er
vorbeigefahren war.
    »Irgendwie kam er mir bekannt vor.
Woher, weiß ich auch nicht. Wahrscheinlich erinnert er mich an den Studenten,
mit dem ich mal eine kleine Auseinandersetzung in der Bibliothek hatte. Immer
wenn mich jemand mit so großen Unschuldsaugen ansieht, frage ich mich seitdem
sofort, welches unserer teuren Nachschlagewerke er gerade aus der
Präsenzbibliothek zu klauen versucht. Wir Bibliothekarinnen neigen ein wenig zu
Zynismus, muß ich gestehen. Warum legst du nicht die Lehne flach und schläfst
ein bißchen? Ich wecke dich, sobald wir bei Cat sind.«

Kapitel 4
     
     
     
     
     
     
    C at, deine Haare sind ja noch genauso
rot wie früher!«
    »Das will ich auch verdammt noch mal
hoffen. Das Zeug, das ich benutze, kostet immerhin fünf Dollar und
fünfunddreißig Cent die Flasche. »Kommt rein und ruht eure müden Fußnägel aus.«
    Was Alter und Figur betraf, lag
Catriona McBogle ungefähr in der Mitte zwischen Helen und Iduna. Ihr momentanes
Gewicht konnte man allerdings nur erraten, da sie eine ausgebeulte graue
Jogginghose und ein überdimensionales weißes Sweatshirt mit schwarzen
Pfotenspuren trug. Der Beschriftung nach zu urteilen, die quer über die Stelle
verlief, unter der sich vermutlich Catrionas Busen verbarg, handelte es sich um
die Abdrücke eines Riesenhundes.
    »Laßt euer Gepäck ruhig im Wagen.
Andrew kann es später hereinholen. Er ist gerade draußen und bearbeitet sein
Kartoffelfeld. Ich habe dem alten Kauz zwar befohlen, das Blumenbeet zu jäten,
aber er ist taub wie ein Stockfisch, wenn er es darauf anlegt. Das vormehme
alte Feudalsystem. Da er bei den Leuten, von denen ich das Haus gekauft habe,
immer Kartoffeln gehackt hat, will er unbedingt auch für mich Kartoffeln
hacken, selbst wenn er uns beide damit umbringt.«
    »Wie das?« erkundigte sich Iduna.
    »Man sollte sie lieber nicht essen,
wenn sie noch grün sind«, gab Helen zu bedenken. »Kannst du ihn nicht dazu
bringen, statt dessen Zwiebeln anzupflanzen, Cat? Es gibt keine giftigen
Zwiebelsorten. Pater Marquette und seine missionarischen Begleiter haben sich
1674 von Wisconsin bis zum heutigen Chicago nur von wilden Zwiebeln ernährt.
Wißt ihr übrigens, daß der Name Chicago von einem Indianerwort stammt, das ›Ort,
an dem Stinktiere hausen‹ bedeutet? Wahrscheinlich wegen des wilden Lauchs, der
dort wächst und ziemlich übel riecht.«
    »Wollen wir wetten, daß es wegen
Marquette und seinen Begleitern war?« knurrte Miss McBogle. »Wilde Zwiebeln
sind gut gegen Bienenstiche, Hämorrhoiden, Furunkel und Ohrensausen, soweit ich
weiß. Man muß sich den Saft in den Ohrkanal träufeln. Wollt ihr euch euer
Schlafzimmer mal anschauen?«
    »Ich würde mir lieber dein Badezimmer
anschauen«, meinte Iduna. »Du hast doch hoffentlich eins? Wie alt ist dieses
Haus überhaupt, Cat?«
    »Zweihundert Jahre. Möglicherweise auch
ein oder zwei Jahre jünger oder älter.

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