Wenn die Mandelblueten bluehen
"Und er sagen, das Abendessen sein um acht Uhr."
"Ja, gut. Danke."
Isabella verließ das Zimmer, bevor Daisy fragen konnte, ob den anderen Angestellten klar war, dass sie kein Gast, sondern eine Kollegin war, die man nicht so bevorzugt zu behandeln brauchte.
Wahrscheinlich hat Slade seine Haushälterin nur deswegen gebeten, mich zu umsorgen, weil ich mich noch nicht völlig erholt habe, beruhigte sie sich dann. Er hatte bestimmt keine Hintergedanken, oder?
Nachdem sie sich mit Tee, Sandwiches und Keksen gestärkt hatte, ging Daisy ins Bad und ließ Wasser in den Whirlpool laufen. Sie würde jetzt eine halbe Stunde im warmen Wasser liegen, sich die Haare waschen und sich umziehen ... Plötzlich fiel ihr ein, dass sie vergessen hatte, zu fragen, ob die Angestellten in der Küche aßen oder mit Slade gemeinsam im Esszimmer.
Na ja, es war eigentlich egal. Sie würde das sündhaft teure, aber schlichte rostbraune Seidenjerseykleid anziehen, dazu die Kaschmirjacke. Das Outfit würde in jede Umgebung passen, ohne zu elegant oder zu nachlässig zu wirken.
Nachdem sie sich im heißen Bad entspannt hatte, zog sie sich einen Bademantel an, wickelte sich ein Handtuch wie einen Turban um den Kopf und ging in ihr Wohnzimmer.
Es klopfte. Sie öffnete die Tür. Draußen stand Angelica. "Oh, Entschuldigung, Signorina Summers! Sie wollen baden."
"Nein, ich bin schon fertig, Angelica. Und bitte nennen Sie mich Daisy. Kann ich etwas für Sie tun?"
"Ja, Signorina." Angelica lächelte unsicher. Wenn seine Schwiegermutter tatsächlich so herrisch war, wie Slade behauptete, hatte sie bestimmt leichtes Spiel mit dem Kindermädchen. "Es ist der Junge, Francesco. Er möchte - wie sagt man? - die Konversation?"
"Konversa... Ach, Sie meinen, er möchte, dass ich ihm Gute Nacht sage?"
"Ja, die gute Nacht", stimmte Angelica zu. "Er ist sehr müde, aber er weint und weint. Kommen Sie?" Das klang beinah verzweifelt. Man merkte dem Mädchen an, dass es mit seinem Latein am Ende war.
"Ja, gut, Angelica." Daisy beschloss, mit Francesco liebevoll, aber konsequent umzugehen. Wenn er glaubte, er könnte sie ebenso leicht um den Finger wickeln, wie er es offenbar mit Angelica schaffte, täuschte er sich! Nein, sie würde den kleinen Schlingel bald zur Räson bringen.
Als sie ihn jedoch im Bett sitzen sah, das Haar feucht vom abendlichen Bad, geriet ihr Entschluss fast ins Wanken. Er wirkte so rührend und liebenswert, dass sie ihn am liebsten spontan umarmt und geküsst hätte. Nein, das darf ich nicht, sagte sie sich und ging kopfschüttelnd zu ihm.
"Was höre ich da von dir? Ein großer Junge wie du weint, weil er nicht schlafen möchte?"
"Nein, ich habe geweint, weil ich dich sehen wollte, Daisy", erklärte Francesco entwaffnend naiv. Er wies auf sein Lieblingsplüschtier, einen abgewetzten, schlappohrigen Hasen.
"Und Leonardo hat auch geweint, weil er dir Gute Nacht sagen wollte."
"Ich verstehe." Es war ihr erster Abend, und sie würde noch viel Zeit haben, streng mit dem Jungen zu sein! "Glaubst du, er wird wie ein braver kleiner Hase einschlafen, wenn ich ihm eine Gutenachtgeschichte erzähle?" fragte sie.
Francesco nickte eifrig.
"Glaubst du, er möchte etwas über seine Verwandten in England hören, die in einem großen Wald wohnen?"
Der Junge nickte noch eifriger.
"Gut, dann machen wir es uns bequem." Daisy setzte sich aufs Bett und legte den Arm um die schmalen Schultern des Kleinen. "Es ist noch gar nicht lange her, da geriet Leonardos englischer Cousin Wackelschwanz in große Schwierigkeiten", begann sie.
Sie hatte sich schon immer gern Geschichten ausgedacht, zuerst für ihre Schwestern, später für die Kinder, mit denen sie gearbeitet hatte. Das Märchen, das sie Francesco erzählte, faszinierte ihn sichtlich.
"Und Wackelschwanz ging nie mehr allein von zu Hause weg", beendete sie schließlich die Geschichte und gab Francesco, der inzwischen fast eingeschlafen war, einen Kuss auf die Stirn.
"Wenn ich genug Wirbel mache, erzählen Sie mir dann auch eine Gutenachtgeschichte?" erklang eine tiefe Stimme, und Daisy fuhr hoch. Ihr Herz pochte plötzlich wie rasend.
Slade stand dicht hinter ihr. Er war so leise ins Zimmer gekommen, dass sie ihn nicht gehört hatte.
"Ich habe meinen Schwestern auch immer Geschichten erzählt, als sie noch klein waren", erklärte sie kühl, und ihr wurde überdeutlich bewusst, dass sie unter dem Bademantel nackt war.
"Ihre Schwestern sind zu beneiden." Slade beugte sich zu seinem Sohn
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