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Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Entscheidung getroffen hatten – allesamt störrische Esel. Jack riss die Melone einige Zentimeter vom Boden hoch, dann fiel sie mit einem dumpfen Plumps auf die Erde. Er sah mich nicht an, sondern stand nur da und keuchte wortlos.
    »Nicht nach der Melone treten, Jack.«
    Jetzt richtete er seinen Blick auf mich. Er hatte rote Wangen wie ein Eichhörnchen, während sein Mund zu einer schmalen kleinen Linie zusammengepresst war. Er war so wütend, dass man besser in Deckung ging.
    »Nimm den Korb, und fang mit den Bohnen an«, sagte ich. »Ich bring die Melone später rein.«
    »Ich schaff das schon.«
    »Du hilfst mir aber mehr mit den Bohnen.«
    Er gab nach. »Ja, Sir.«
    »Wart noch einen Moment, Jack.« Ich wandte mich wieder den Tomaten zu, musste dabei aber an Tess’ Albträume denken. Jack war jünger als sie. Wer wusste, was er sich so vorstellte. »Macht dir die Geschichte mit dem Baby Angst?«
    Als ich zu ihm hinübersah, schwenkte er bereits den Korb in der Hand und marschierte auf die Bohnen zu.
    »Nein, Sir.«
    Er schien sich seiner Sache sicher zu sein, so dass ich mir keine weiteren Sorgen machte. Die Tomaten waren besser gediehen als gedacht. In diesem Jahr grassierte die Trockenfäule, aber sie sahen rot und saftig aus. Bei ihrem Anblick lief mir das Wasser im Mund zusammen – als ob das Innere jeden Augenblick durch die Haut herausplatzen würde. Ich pflückte eine und biss wie in einen Apfel hinein. Der Saft der Tomate lief mir übers Kinn.
    »Komm mal her, Jack.«
    Ich pflückte noch eine und reichte sie ihm, während ich noch immer den Sommer im Mund schmeckte. Einige der Samen blieben an meinen Bartstoppeln hängen.
    »Virgie und Tess kriegen keine«, stellte er zufrieden fest.
    »Mädchen!«, rief ich. »Kommt mal her!«
    Sie kamen in Windeseile herbeigerannt, mit flatternden Röcken und strahlenden Gesichtern.
    »Mitten am Nachmittag?«, fragte Virgie, als Tess die Hand ausstreckte, um eine Tomate zu pflücken.
    »Welche dir am besten gefällt«, erklärte ich. »Nimm die Größte, die Süßeste, die du finden kannst.« Ich lächelte ihnen allen zu, während sie schlürften und schmatzten und die Zähne und Zungen und Hände und Arme voller Tomate waren.
    »Das ist ein glückliches Gemüse – nicht wahr, Papa?«, fragte Tess und biss ein großes Stück ab. »Fröhlich und aufgeregt. So wie Zitronen schmollen und Pfirsiche verführerisch sind.«
    Virgie nahm kleinere Bissen und beugte sich vor, damit der Saft nicht auf ihr Kleid tropfte. Aber dennoch war ihre Tomate die beste, voller und röter als die anderen. »Tess glaubt, dass jedes Gemüse einen Charakter hat«, erklärte sie mir.
    »Wenn sie es noch isst, nachdem sie sich mit ihm angefreundet hat, ist das nicht schlimm«, erwiderte ich lächelnd.
    Danach pflückten wir zusammen die Bohnen, bis es an der Zeit war, zum Abendessen hineinzugehen. Es war eine klebrige, schweißtreibende Arbeit. Zwischendurch leckten wir uns immer wieder unsere Finger ab und schmeckten die Tomaten und die Erde. Als ich Jack und Tess auf dem Weg ins Haus die Stufen hinaufschwang, bekamen wir danach kaum mehr unsere Hände auseinander.
     
    Virgie
    Mama aß nie viel. Sie verteilte erst unsere Portionen, ehe sie sich selbst etwas nahm. Manchmal ließ sie ihren Teller ganz aus. Vor allem wenn es Fleisch gab. Gewöhnlich nahm sie sich einen Löffel voll von den verschiedenen Gemüsesorten. Aber ein zweites Mal tat sie sich nie etwas auf. Manchmal ließ sie auch eine Mahlzeit aus, wenn sie glaubte, es würde niemandem auffallen.
    Es gab Küchlein zum Nachtisch. Mama holte sie mit einer Gabel aus der Pfanne und legte eines auf jeden der Teller – außer auf den ihren.
    »Isst du keins, Leta-ree?«, fragte Papa.
    »Bin satt«, erwiderte sie und setzte sich hin.
    »Aber du magst doch Pfirsichküchlein«, sagte ich.
    Es waren noch zwei übrig, und ich wusste, was sie vorhatte. Sie wollte sie entweder nach dem Abendessen am nächsten Tag unter uns aufteilen oder Papa in seine Brotzeitdose packen. Ich saß da und betrachtete mein Küchlein. Ich roch den Zimt und die Butter, rührte es aber nicht an. Tess und Jack stopften sich die Backen voll und gaben keinen Laut von sich. Mama lächelte sie an.
    »Jetzt iss, Virgie«, sagte sie.
    Ich schob das Küchlein auf meinem Teller herum – ein aufgeblähter Halbkreis mit einem Gabelspurenrand. Dann schnitt ich es in der Mitte durch. Die bräunlich orangefarbene Füllung im Inneren dampfte und quoll heraus. »Ich will nur

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