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Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht Kostenlos Bücher Online Lesen
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fünfzig Cent für Pete.«
    Bans Frau schien ein vernünftiger Mensch zu sein, aber er hatte eine Tochter, die etwas wilder geraten war. Sie hatte bereits drei Heiratsanträge abgelehnt. Das hieß im Grunde nichts. Doch eines ließ sich nicht leugnen: Alles, was ich von diesen Frauen wusste, war, was sie in die Essensdosen ihrer Männer packten. Und wie sollte mir ein Stück Schinken und ein Fladen verraten, wer das Kind getötet hatte?
     
     
    Tess
    Es dauerte zwei oder drei Tage, bis wir über das redeten, was Tante Celia gesagt hatte. Eigentlich redeten wir nicht richtig, sondern Virgie verkündete plötzlich, was sie vorhatte.
    Im Sommer und im Herbst wohnten wir mehr draußen auf der Veranda als im Haus. Die Stufen hatten breite Betonränder, auf denen man sich bequem hinsetzen konnte, statt eines Geländers. Während Mama und Papa schaukelten, hockten Virgie und ich auf dem Beton – ich oben und Virgie unten. Sie lehnte sich gerne gegen das L, wo ihr Stück an das meine stieß, und ich war gerne einmal größer als sie. So funktionierte das recht gut.
    Meistens beobachteten wir die Glühwürmchen, wobei wir sie manchmal zählten oder auch mit hohlen Händen einfingen. Papa rauchte, und solange es noch einen Rest von Tageslicht gab, stopfte Mama die Dinge, für die sie nicht die Maschine benutzen konnte. Sie hörte immer erst mit der Arbeit auf, wenn sie nichts mehr sah. Ab und zu liefen Leute vorbei und grüßten oder kamen auch auf die Veranda herauf, um ein wenig zu plaudern. Manchmal liefen Virgie und ich zur Straße hinunter und grüßten unsererseits die Schatten auf den Veranden der anderen Häuser. Ihr machte das aber nicht so viel Spaß wie mir.
    Als wir jedoch an diesem Abend auf dem kühlen Beton saßen, überraschte sie mich.
    »Wir müssen eine Liste machen«, sagte sie aus dem Blauen heraus.
    »Was?«
    »Wie Tante Celia gesagt hat. Wir müssen herausfinden, wer’s getan hat.«
    »Eine Liste mit allen Babys?«
    »Na ja, eher mit allen Frauen, die Babys hatten. Wenn wir wissen, wer in den letzten sechs Monaten oder so ein Kind zur Welt gebracht hat, schauen wir einfach überall vorbei und sehen, wo eins fehlt.«
    »Und woher wissen wir, dass es sechs Monate alt war?«
    »Wahrscheinlich war’s noch jünger, aber wenn wir sechs annehmen, sind wir auf der sicheren Seite.«
    Sie schlug die ausgestreckten Beine übereinander. Ihr Kleid endete gewöhnlich ein wenig oberhalb ihrer Fesseln, aber jetzt konnte man sehen, dass ihre Strümpfe etwas heruntergerutscht waren. Ich trug keine Strümpfe. Ich hatte nicht einmal meine Schuhe an, denn ich hatte sie neben der Hintertür ausgezogen, sobald ich aus der Schule gekommen war. Ich mochte sie nicht, auch wenn Mama meinte, ich solle dankbar sein, überhaupt Schuhe zu haben. Sie sagte, dass es viele Kinder gäbe, die keine hätten, wie zum Beispiel die Talbert-Kinder, deren Eltern Papas Land bestellten. Sie sagte auch, dass Würmer in die Fußsohle kriechen und es sich dort bequem machen würden.
    Ich konnte mir diese kleinen Würmer gut vorstellen, wie sie es sich in meiner Ferse oder meinen großen Zehen häuslich einrichteten, in meinen Füßen kleine Zimmer gruben, sich ein warmes Feuerchen machten und ihre winzigen Matratzen und Tische brachten, die kaum größer als eine meiner Sommersprossen waren.
    Mama sagte, dass alles ganz anders sei.
    Aber sie schlüpfte auch immer aus ihren Schuhen, saß auf der Veranda und klopfte mit ihren nackten Füßen auf den Boden, während sie nähte. Sie hatte also eigentlich keinen Grund, sich aufzuregen.
    »Was heckt ihr aus, Mädchen?«, fragte Papa. Ich zuckte erschrocken zusammen.
    »Gar nichts, Papa«, antworteten wir beide wie aus einem Mund.
    Er warf Mama einen Blick zu und schnippte die Asche von seiner Zigarette. »Das klingt aber nicht danach«, erwiderte er. Aber er fragte nicht noch einmal, sondern fuhr mit dem Rauchen und Schaukeln fort.
    Virgie ging ins Haus und holte ihren Schulblock und Stifte. Sie behielt immer ihre Schuhe an. Es schien sie nicht zu stören, wenn ihre Füße eingeengt und verschwitzt waren. »Fangen wir mit den Leuten an, die am nächsten wohnen und …«
    »Virgie?«
    »Lola Lowe hatte vor einigen Monaten ein Kind. Das weiß ich.«
    »Virgie?«
    »Was?«
    »Warum machst du das?«
    »Was?«
    »Ich weiß, dass du nicht an Gespenster glaubst. Und du hast auch keine Albträume. Wieso willst du plötzlich nach der Frau suchen?« Es war ungewöhnlich für Virgie, sich kopfüber ins Wasser zu

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