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Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht Kostenlos Bücher Online Lesen
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auch nur ein Stöhnen. Die Rippen, die er sich einige Jahre zuvor in Nummer fünf gebrochen hatte, waren nie richtig verheilt, und sie taten ihm noch immer weh, wenn er auf der linken Seite lag. Damals gab es kein Krankenhausgeld, und er hoffte weiterhin, dass die United Mine Workers irgendwann wieder auf die Beine kommen würden und es in Norwood irgendeine Art von Gewerkschaftsversicherung geben könnte, die ihm dann half.
    »Jetzt ist er noch ein Junge mit vielen Süßigkeiten, aber eines Tages wird er ein Mann mit faulen Zähnen sein«, stellte er befriedigt fest. »Wenn er mal vierzig ist, kann er nur noch Suppe essen.« Die Vorstellung schien ihm zu gefallen.
    »Eines Tages wird sie sich einen aussuchen«, erwiderte ich, da ich nicht anders konnte. »Früher oder später muss sie das sogar.«
    »Lieber später als früher, findest du nicht auch?«
    »Warum hast du ihm dann erlaubt, sie nach Hause zu begleiten?«
    »Keine Ahnung«, meinte er und seufzte. »Ich konnte doch nicht ablehnen, nachdem er so höflich darum gebeten hatte. Außerdem schien er ganz in Ordnung.«
    »Und warum gefällt dir dann die Vorstellung, dass er bald nur noch auf seinem Zahnfleisch kauen kann?«
    »Ein Spaziergang von der Kirche nach Hause ist eine Sache. Aber eine andere ist es, wenn sie sich für einen Burschen interessiert und von ihm einlullen lässt. Man weiß nie, was sich hinter diesem strahlenden Lächeln und den zurückgekämmten Sonntagshaaren versteckt.«
    »Nein, das weiß man nie.«
    »Und das macht dir keine Sorgen?«
     
    Albert
    Als ich Leta das erste Mal sah, hatte sie mir den Rücken zugewandt.
    Ich war nach Townley gekommen – dem Ort, aus dem Leta stammte – und zwar zu einem Stück Land, das den Nachbarn ihres Vaters gehörte. Die Leute hatten ein Feld gerodet, das einige Jahre nicht bewirtschaftet worden war, und verbrannten das ganze Dickicht in einem großen Feuer, das man noch aus einer Meile Entfernung sehen konnte. Es war Oktober. Ich war mit einem Cousin zweiten Grades nach Townley gefahren. Er hieß Emory, aber alle nannten ihn Fuzz – ein Spitzname, den er während einer Hasenjagd bekommen hatte, als wir noch Kinder waren. Ich war damals erst einige Jahre lang in den Gruben beschäftigt gewesen, hatte also noch eine glatte Haut und bewegliche Glieder.
    Ich trat zu dem Feuer, um mich zu wärmen. Dort standen bereits ungefähr ein Dutzend andere Leute. Außerdem war da noch ein Mädchen, das sich ein wenig abseits hielt. Sie hatte sich einen Schal um die Schultern gelegt. An die Farbe kann ich mich nicht mehr erinnern, es war etwas Fröhliches. Sie flocht gerade ihre dunklen Haare, und das Feuer tauchte sie in ein schimmerndes Licht. Ihre Haare reichten ihr bis zur Taille herab. Ich hatte noch nie etwas Ähnliches gesehen, und bei dem Anblick wurde mein Mund ganz trocken.
    Ich konnte kaum glauben, dass sie noch nicht vergeben war. Townley war ebenso rau wie Carbon Hill. Hier gab es nichts außer harter Arbeit, und Schönheit war eine Ausnahme. Aber ich wollte mein Glück nicht lange hinterfragen, sondern schlenderte zu ihr hinüber. Um das Feuer mussten mindestens sechs weitere ungebundene Männer gestanden haben. Meiner Meinung nach waren sie alle blind oder verdammt langsam, wenn ihnen eine solche Schönheit nicht auffiel.
    Als sie sich mir zuwandte, war ich froh, dass ich den Schritt gewagt hatte. Virgie war schon immer fast zu hübsch, nahezu unerreichbar, was ich mir vielleicht auch in gewisser Weise wünschte. Leta war nicht weniger schön, aber in ihrem Gesicht spiegelte sich eine große Freundlichkeit wider, Offenheit und Neugier. Sie war eine Frau, die man zum Lächeln bringen wollte.
    »Guten Abend, Miss.«
    »Hallo.« Sie fuhr fort, ihren Zopf zu flechten, wobei sich ihre Finger so schnell bewegten, dass es etwas beinahe Hypnotisches an sich hatte.
    Ich wies mit dem Kopf zum Feuer. »Hier sollte es noch einige Stunden angenehm warm sein.«
    »Nehm ich auch an.« Sie sah mich jeweils nur eine Sekunde lang an, gerade lange genug, um die Hoffnung in mir zu wecken, dass sie mir das nächste Mal ein wenig länger ihre Aufmerksamkeit schenken würde.
    »Ich bin Albert Moore und mit meinem Cousin Fuzz hier. Eigentlich heißt er Emory Beasley. Wir nennen ihn nur Fuzz. Er stammt hier aus der Gegend. Einer der Beasleys.«
    »Ich bin mit Emory in die Schule gegangen«, sagte sie und benahm sich so, als hätte ich nicht irgendeinen Blödsinn geredet. Ehe sie sich mir vorstellen konnte, kam ein

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