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Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht Kostenlos Bücher Online Lesen
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in Ordnung zu sein.«
    »Dann ist es inzwischen verflogen.«
    »Hat er dir sonst Probleme gemacht?«
    »Nein. Zahm wie ein Kätzchen. Hat versucht, mir weiszumachen, dass er nur Holz für ein Feuer sucht. Aber das hätte er wohl kaum auf dem Boden einer Flasche gefunden.«
    Jonah sprach noch immer kein Wort, und das war auch das Beste, was er tun konnte.
    »Ich könnt mir vorstellen, dass er nach Holz gesucht hat«, meinte ich gelassen. »Ziemlich kalt heute Nacht.«
    Ted achtete nicht auf mich. »Wenn man einem von denen das Geringste durchgehen lässt, hat man bald eine ganze Bande auf dem Hals, die durch die Straßen zieht, so dass wir abends nicht mal mehr unsere Frauen und Kinder auf die Veranda lassen können.«
    Ich hatte genug gehört. Es würde sowieso immer wieder auf das Gleiche hinauslaufen, und es war zu spät, um sich auf die üblichen Auseinandersetzungen einzulassen. »Wie viel kostet mich das jetzt?«, fragte ich also.
    »Keine Ahnung, was er noch getan hätte, wenn ich nicht gekommen wär.«
    »Wie viel, Ted?«
    »Vier Dollar.«
    Ich seufzte. »Er ist einer meiner besten Männer. Bisher hatte ich noch nie Probleme mit ihm. In den zehn Jahren, in denen er hier ist, hat er nie Schwierigkeiten gemacht. Ich bin nicht einer der Großen. Das ist Geld, das aus meiner Tasche kommt.«
    »Na ja. Wollen mal nicht so sein. Zwei Dollar, weil du’s bist.« Endlich sah er Jonah an. »Aber versteh das als eine Warnung, Bürschchen.«
    Zum ersten Mal schaute Jonah zu uns herüber. Seine Kiefermuskeln zitterten einen Moment lang, und er fuhr sich mit der Zunge über die Schneidezähne. Doch dann war sein Mund wieder regungslos, und seine Miene spiegelte nichts von seinen Gefühlen wider.
    »Ja, Sir«, erwiderte er mit einer Stimme, die genauso ausdruckslos war wie sein Gesicht. »Mach ich.«
    Es war eindeutig, dass Ted etwas in Jonahs Benehmen finden wollte, an dem er etwas aussetzen konnte. Er wollte in Jonahs Stimme Unterwürfigkeit und Flehen hören. Ich bemerkte, dass Jonahs Kiefermuskeln noch immer angespannt waren, und wollte nicht das Risiko eingehen, dass er doch noch etwas Unüberlegtes sagte. Außerdem hatte ich keine Lust, vier Dollar zu zahlen.
    »Verdammt anständig von dir«, sagte ich zu Ted. »Dann machen wir uns mal wieder auf den Weg. Ich will so schnell wie möglich zurück. Das Ganze kann sich noch für Leta lohnen. Jetzt hab ich genügend Zeit, die Kuh zu melken, ehe ich einfahren muss.«
    Ted kam auf mich zu, lehnte sich dann aber gegen das Gitter der Zelle. »Da fällt mir noch was ein. Ich habe Neuigkeiten, die dich vielleicht interessieren. Über dieses Baby aus eurem Brunnen.«
    Ich wartete, dass er fortfahren würde. Ted redete immer weiter, solange man nur selbst den Mund hielt. »Der Arzt meint, der Junge ist gar nicht ertrunken«, erklärte er. »Man hat ihn aufgeschnitten und kein Wasser in seiner Lunge gefunden. Sieht also so aus, als ob es kein Mord gewesen wär.«
    Ich verstand nicht sofort, was er damit sagen wollte. »Das heißt also, die Frau hat ein totes Baby in den Brunnen geworfen?«
    »Genau.« Er wirkte ziemlich zufrieden mit sich, und es kam mir vor, als wäre sein Gesicht noch runder und röter als gewöhnlich.
    »Und das weiß er erst einen Monat, nachdem wir das Baby gefunden haben?«
    »Gütiger Himmel, nein. Das wusste er bereits am Tag danach. Ich hab dich seitdem nur nicht mehr gesehen.«
    »Und woran ist der Junge gestorben?«
    »Keine Ahnung.« Jetzt wirkte er weniger selbstzufrieden. »Könnte alles gewesen sein. Aber man hat keine blauen Flecken und auch kein Blut gefunden. Sieht also nicht so aus, als ob er zu heftig geschüttelt oder geschlagen worden wär.«
    »Und was machst du jetzt?«
    »Nichts. Ich werde mich natürlich weiter umhören. Aber ich wette mit dir, dass es sich um irgendeine zart besaitete Seele handelt, die die Nerven verloren hat, als ihr Baby starb. Vielleicht leidet sie auch unter einer nervösen Störung. Im Grunde kann man ihr nichts vorwerfen, selbst wenn wir sie finden – vor allem weil euer Wasser ja auch nicht vergiftet wurde. Wir könnten sie kurzfristig verhaften, wenn du Wert drauf legst.«
    »Ne«, sagte ich kopfschüttelnd. »Ne, darum geht’s mir nicht. Es ist nur seltsam. Wenn sie das Baby gar nicht umbringen wollte, warum hat sie’s dann überhaupt in unseren Brunnen geworfen?«
    Es war eindeutig, dass Ted keine Lust hatte, einen weiteren Gedanken an die ganze Sache zu verschwenden. Er hatte mir etwas mitteilen können,

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