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Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie immer aus, als hätte sie gerade einen Witz gehört. »Ich will nur alles bereithaben.«
    »Dieses Mädchen geht nirgendwohin, ohne eine Geschichte mit dabeizuhaben«, meinte Tante Merilyn, die nun am Spülbecken stand und das Geschirr abwusch – in einem Wasser, das höchstwahrscheinlich eiskalt war.
    Naomi sah mich noch immer an, als wollte sie Löcher in mich starren. Doch sie schien auch konzentriert die Butter zu schlagen, denn der Stößer bewegte sich regelmäßig auf und ab, und man konnte die Sahne im Fass schwappen hören. »Gehst du jetzt also mit Tom Olsen?«, fragte sie.
    »Wirklich?«, erkundigte sich Tante Merilyn. »Leta hat gar nichts erzählt.«
    »Das tu ich auch nicht«, erwiderte ich. »Wir sind nur mit einer Gruppe von Freunden zu dem Basketballspiel gegangen. Das war alles.«
    »Ich dachte, Henry Harken hätte ein Auge auf dich geworfen«, meinte Tante Merilyn. Dann fügte sie hinzu: »Buttere weiter.«
    Naomi hatte mit dem Buttern innegehalten. Das tat sie ständig, vor allem wenn sie gleichzeitig ein Buch las. Ich war schon mehrmals zu Besuch gekommen und hatte erlebt, wie sehr sie in ihr Buch vertieft sein konnte. Ihre Hand hielt dann zwar noch den Stößer, bewegte sich aber nicht mehr. Manchmal hörte sie nicht einmal, wenn jemand hereinkam. Irgendwann trat dann Tante Merilyn zu ihr, klopfte ihr auf die Schulter und sagte: »Buttere weiter.« Dann setzte sich Naomis Arm wieder in Bewegung.
    »Nein, Ma’am«, erwiderte ich, da ich es für das Beste hielt, das Ganze so einfach wie möglich darzustellen. »Ich glaub nicht, dass Henry noch immer ein Auge auf mich hat.«
    »Alle haben ein Auge auf Virgie«, erklärte Naomi und butterte weiter.
    »Stimmt nicht«, sagte ich zu Tante Merilyn. Und zu Naomi meinte ich: »Du versuchst mich nur in Verlegenheit zu bringen, Naomi.«
    Sie lächelte. »Vielleicht.«
    »Nun, das sollten sie auch«, meinte Tante Merilyn und wandte sich mir zu. Sie war so aufgeregt, dass sie wieder mit ihren Händen gestikulierte, obwohl diese nass waren. Ein Schauer aus kleinen Tropfen flog durch die Luft. »Und du machst dir ein Vergnügen daraus, sie an der Nase herumzuführen. Kein Junge bereitet einem größeres Vergnügen als ein liebeskranker.«
    Mama hatte in meiner Gegenwart noch nie so gesprochen. »Sie sind nicht liebeskrank«, widersprach ich. »Und wieso soll mir das Vergnügen bereiten?«
    »Du weißt doch, wie man eine Tomatenranke dazu bringt, dem Stock zu folgen – oder?«, erwiderte Tante Merilyn. »Nun, du bist in diesem Fall der Stock, mein Schatz.«
    Naomi, die nicht im Mindestens schockiert wirkte, nahm sich noch einen Keks. »Sie vergleicht Männer gern mit Tomatenranken.«
    »Buttere weiter«, sagte Tante Merilyn.
    Naomi runzelte die Stirn, legte das Buch flach auf den Tisch und hielt den Keks in der einen Hand, während sie mit der anderen weiterstampfte.
    »Redet sie auch so, wenn Onkel Bill da ist?«, fragte ich Naomi leise.
    »Gütiger Himmel – du erklärst Papa doch auch immer, dass er eine Tomate ist – nicht wahr, Mama?«
    Tante Merilyn zuckte mit den Achseln.
    »Und er hat nichts dagegen?«, wollte ich wissen.
    »Ach, gewöhnlich erklärt er mir dann, dass eine Tomatenpflanze wenigstens etwas hervorbringt. Aber der Stock steht nur da und tut nichts, bis er verfault.«
    »Und du sagst dann …« Naomi brach ab und ließ Tante Merilyn den Satz zu Ende sagen.
    »Dass es viel leichter ist, eine Tomate platt zu treten als einen Stock.«
    Daraufhin beugten sich die beiden nach vorne und begannen erneut zu kichern. Auch ich lachte, während ich versuchte, mir vorzustellen, wie Tante Merilyn und Onkel Bill über Liebe und Tomaten redeten. Mama und Tante Merilyn sahen sich so ähnlich, und sogar unsere Häuser waren ähnlich gebaut. Aber sobald man durch die Türen getreten war, hörten die Ähnlichkeiten auf. Ich saß da und stellte mir vor, wie sie alle um das Klavier standen und die ganze Familie eine witzige Bemerkung nach der anderen losließ, so dass sich eine Unterhaltung in ein Schachspiel verwandelte, bei dem jeder versuchte, den anderen mattzusetzen.
    Ich blieb noch eine Weile und löste Naomi immer wieder beim Buttern ab, bis sich die Sahne in Butter verwandelt hatte und in die Form gestrichen werden konnte. Das war der beste Teil.
    Die Butterform, die wie ein kleines Butterfass aussah, stanzte oben auf das Butterstück ein Gänseblümchen ein. Mama und Tante Merilyn hatten die gleiche Form, und ich mochte es, die glatten,

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