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Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht Kostenlos Bücher Online Lesen
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hatte eine Stupsnase und eine ziemlich rote Haut, die sich schälte, obwohl sie so braun war. Mir gefiel ihre Nase.
    »Hört zu«, sagte ich. »Wir haben die Baumwolle auf unserer Veranda. Morgen kommt sie in die Entkörnungsmaschine, und wir dachten, dass ihr vielleicht Lust habt, mit uns darauf herumzuspringen. Du und dein Bruder.« Sie schwiegen eine Weile, so dass ich schließlich hinzufügte: »Heute ist der letzte Tag, wo das geht.«
    »In der Baumwolle herumspringen?«, fragte der Junge, der uns zwar noch immer nicht ansah, aber zumindest sein Holzstück weglegte.
    Nicht der Junge – Eddie. Er war nahe genug, dass ich die große Lücke zwischen seinen Vorderzähnen sehen konnte. Man hätte problemlos einen Bleistift hineinschieben können.
    »Klar«, meinte Jack. »Habt ihr das denn noch nie gemacht?«
    Ihren Gesichtern nach zu urteilen, lautete die Antwort »Nein«. Dieses ganze Pflücken, und den lustigen Teil hatten sie immer ausgelassen. Das war so, als würde man Laub zusammenharken und dann nicht in den Haufen springen.
    »Wisst ihr«, erklärte ich geduldig. »Die Ballen werden auf unserer Veranda gesammelt und sind größer als ich.« Ich hielt meine Hand so hoch, wie die Baumwolle lag. »Man kann draufklettern, reinspringen, rumrollen und so. Ist fast so, als würde man in den Wolken spielen.«
    »Es macht wirklich Spaß«, sagte Jack. »Wirklich Spaß.« Er wirkte etwas freundlicher, seitdem ihm klar geworden war, was sie versäumt hatten.
    »Und eure Eltern haben nichts dagegen?«, fragte Lou Ellen.
    »Nein, überhaupt nichts«, erwiderte er.
    »Wir machen das die ganze Zeit.«
    »Und es ist höher als du?«, fragte Eddie.
    »Ja«, antwortete ich. »Und die ganzen stachligen Teile sind weg.«
    Ich überlegte, was ich noch sagen konnte. Aber es musste bereits gereicht haben. Ellen Lou lehnte den Besen an die Mauer. »Ich frag mal Mama«, meinte sie und rannte ins Haus, wobei sie noch einmal einen Blick über ihre Schulter warf, als wäre sie sich nicht sicher, ob wir auch wirklich auf sie warten würden.
    Sie bekamen die Erlaubnis mitzukommen. Also marschierten wir zu viert im Schnellschritt zu uns nach Hause und blieben erst stehen, als wir die oberste Verandastufe erreicht hatten (deshalb hatte Jack keine Gelegenheit, anzuhalten und ein paar Holzäpfel zu pflücken, um sich damit an mir zu rächen.)
    »Und jetzt?«, fragte Lou Ellen ungeduldig. »Hüpfen wir jetzt?«
    »Nein, es gehören noch ein paar andere Dinge dazu«, erwiderte ich. »Erst musst du die Geschichte erzählen.«
    »Die Geschichte?«
    »Mach du’s, Tess«, meinte Jack. »Du kannst das am besten.«
    Es schien, als wäre es so am einfachsten. Lou Ellen und ihr Bruder würden offenbar keine große Hilfe sein. »Also gut«, sagte ich. »Bevor ihr auf die Baumwolle hüpft, müsst ihr euch entscheiden, wer ihr seid und was ihr macht.«
    »Wir wissen aber, wer wir sind«, erwiderte Lou Ellen und wirkte auf einmal nervös. Sie sah aus, als wäre es ein großer Fehler gewesen mitzukommen.
    Allmählich riss mir der Geduldsfaden. Außerdem war mir aufgefallen, dass Lou Ellen die Angewohnheit hatte, den Mund mit ihrer Zunge aufzuhalten, die spitz und scharf herausragte, ehe sie damit innen an den Wangen rieb. Sie erinnerte mich an ein verängstigtes Tier.
    »Lass mich ausreden«, sagte ich mit der Stimme einer Lehrerin und versuchte dabei, nicht auf Lou Ellens Zunge zu achten. Die Spitze glitt über ihre Oberlippe und sah an einem Mundwinkel heraus. »Fangen wir mit der Baumwolle an. Das könnten Wolken sein, und wir sind Engel, die drauf sitzen und ihre Harfen spielen, oder wir sind Vögel, die hineinfliegen, oder wir könnten einen Schneemann bauen oder eine Schneeballschlacht machen … Oder irgendwas!«
    »Wir könnten Baumwollkapselkäfer sein und die Baumwolle essen«, meinte Eddie.
    Es war eindeutig, dass er noch nie »So tun, als ob« gespielt hatte.
    »Nein, das geht nicht«, erklärte ich. »Du musst dir mehr überlegen. Das ist keine Baumwolle mehr, das ist mehr … Was anderes.«
    Sie saßen eine Weile da und sahen die Baumwollballen an, als würde sich die Antwort, was sie sein könnten, darin finden. Dann meinte Lou Ellen: »Habt ihr schon mal gesehen, wo der Fluss über viele Steine fließt und so weiße Blasen aufsteigen?«
    Wir nickten.
    »Na ja«, fuhr sie fort. »Es könnte schnell fließendes Wasser sein. Der Schaum oben auf der Strömung, und wir könnten Fische sein, die darin schwimmen.«
    Wir hielten das alle für

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