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Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht Kostenlos Bücher Online Lesen
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darf.«
    Ich dachte an das Basketballspiel, vor dem ich mich so gefürchtet hatte und das dann letztlich sehr nett geworden war. Mir hatte auch vor den Spaziergängen mit den Jungen gegraut, und die waren ebenfalls irgendwie ganz nett geworden. Noch graute mir vor der Vorstellung, eines Tages einen Mann zu heiraten und dann den ganzen Tag über zu waschen und zu kochen, mich um die Kinder zu kümmern und von der Veranda herabzuwinken, während die anderen davonfuhren.
    »Macht dir das keine Angst, wenn du dran denkst?«, wollte ich wissen.
    »Angst?«
    »Einmal eine Ehefrau zu sein. Und Kinder zu haben. Und nicht mehr nur einfach Naomi.«
    »Irgendwie scheint’s doch ganz lustig zu sein – oder?«, meinte sie. »Eine eigene Familie zu haben und so.«
    »Weiterformen«, sagte Tante Merilyn, als sie an uns vorbeikam, ohne uns auch nur eines Blickes zu würdigen.
    »Tu ich ja«, erwiderte Naomi. »Du musst mich nicht dran erinnern, wenn ich’s sowieso schon tu!«
     
    Tess
    Der Teil der Baumwollernte, den wir mochten und der unsere Finger nicht zum Bluten brachte, war der, wenn unsere Veranda über und über weiß bedeckt war. Nachdem große Säcke voller Baumwolle gepflückt und in Ballen verpackt waren, spannten Papa und Mr. Talbert Pferd vor den Karren und brachten die Ballen zu unserem Haus hinauf. Sie stapelten sie auf einer Seite der Veranda – es war ein Stapel, der jeden Tag höher und breiter wurde, bis er schließlich in die Mitte der Veranda reichte, so dass wir die Schaukelstühle in einer Ecke zusammendrängen mussten. Die Veranda verwandelte sich in ein riesiges Bett, weich und federnd, in das man tief einsinken konnte. Es war ein weißer Spielplatz. Die Wolle verfing sich in den Haaren und rieb über die Haut. Jack und ich liebten es, hinaufzuklettern, hineinzuspringen oder mit Anlauf mit dem Bauch zuerst in der Baumwolle zu landen.
    Ich hatte vor, die Talbert-Kinder zu fragen, ob sie Lust hätten, mit uns in die Baumwolle zu springen.
    »Aber die waren nicht nett«, sagte Jack. Er musste beinahe rennen, um mit mir mithalten zu können. Seine nackten Füße wirbelten hinter ihm Staub auf. Weil er ein Junge war, durfte er seine Schuhe ausziehen, wenn er von der Schule nach Hause kam.
    »Die kannten uns nur noch nicht so gut«, erklärte ich.
    »Ich mag sie nicht.« Er blieb stehen, stemmte die Arme in die Hüften und sah mich auffordernd an.
    »Ach, sei kein Frosch, Jack. Du hast selbst gesagt, dass du mitkommen willst. Wir holen sie, und dann kommen wir zurück, und dann werf ich dich so oft in die Baumwolle, wie du willst.« Er mochte es am liebsten, wenn ich die Hände verschränkte, er darauf steigen konnte und ich ihn dann auf die Ballen hievte.
    »So oft ich will?«, wiederholte er.
    »Ja«, erwiderte ich und schnaubte. Dann liefen wir weiter.
    »Ich versteh trotzdem nicht, was du von diesen hässlichen Talberts willst«, murmelte er so leise, dass ich nicht darauf reagieren musste.
    Es gelang mir, auf dem Weg eine Handvoll Holzäpfel zu pflücken, ohne dass er es merkte. Ich wartete, bis wir am letzten Holzapfelbaum vorbei waren und beschoss ihn mit allen auf einmal. Er stieß einen empörten Schrei aus.
    Doch zu diesem Zeitpunkt waren wir bereits in der Nähe des Talbert-Hauses, deshalb blieb ihm nichts anderes übrig, als mich nur noch rasch an den Haaren zu reißen.
    Der Junge und das Mädchen befanden sich vor dem Haus und beobachteten, wie wir die Straße heraufkamen. Der Junge hockte auf einer Verandastufe und schnitzte an einem Stück Holz, das noch immer vor allem ein Stück Holz war. Das Mädchen fegte die Veranda, ohne ihren Bruder treffen zu wollen, was mir wie eine ziemliche Zeitverschwendung vorkam. Die Staubwolken schwebten in den Hof hinunter. Der Besenstock reichte weit über ihren Kopf hinaus.
    »Mr. Moore ist nicht da«, sagte das Mädchen, während sie mit dem Stroh über den Boden fegte.
    »Wir suchen Papa auch gar nicht«, erwiderte ich. »Ich glaub, das letzte Mal haben wir uns nicht richtig vorgestellt. Ich bin Tess.«
    »Lou Ellen«, meinte sie, ohne zu lächeln. Aber wenigstens hörte sie mit dem Fegen auf.
    »Und das ist …«
    »Ich bin Jack«, unterbrach mich mein Bruder.
    »Das ist Eddie.« Lou Ellen wies mit der Hand auf den Jungen, der von seiner Schnitzerei nicht aufblickte.
    Lou Ellen und Eddie, sagte ich innerlich zu mir. Lou Ellen und Eddie. Ich versuchte, mich auf Lou Ellens Gesicht zu konzentrieren, während ich ein Gefühl für ihren Namen entwickelte. Sie

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