Wenn Die Nacht Anbricht
eine ausgezeichnete Idee. Also sprangen wir hinein, schwammen flussaufwärts und schossen flussabwärts, und Jack wurde an einem Angelhaken erwischt und warf sich selbst von der Veranda herunter aufs trockene Land. Er lag da und klappte so lange den Mund auf und zu, bis Eddie so tat, als würde er ihn mit beiden Händen wieder ins Baumwollwasser werfen.
Lou Ellen und ich schwammen, schlugen mit unseren Schwänzen und bewegten beständig unsere Flossen, als würden wir wie Hennen mit unseren Flügeln schlagen. Während wir im Wasser trieben, rutschte ihre Bluse hoch, und ich bemerkte eine lange rote Narbe an ihrer Seite, die auf ihrer sonst blassen glatten Haut rau und blasig aussah.
»Hast du dir da wehgetan?«, wollte ich wissen und zeigte darauf.
Sie sah an sich herunter und zog die Bluse wieder zurecht, ehe sie von den Ballen glitt. »Ich hab mich mit kochendem Wasser verbrannt, als ich klein war. Bin gegen den Topfgriff gestoßen, und alles fiel vom Herd. Das war ziemlich schlimm.«
»Hat deine Mama denn nicht aufgepasst?«
Sie bedachte mich wieder mit diesem Blick, als sprächen wir verschiedene Sprachen. »Sie hat mit Papa gearbeitet. Ich musste das Abendessen machen.«
Dann warf sie sich wieder mit dem Rücken zuerst auf die Baumwolle. Ihr Rock flog gemeinsam mit ihren Beinen in die Luft, und sie riss die Arme hoch und runter, um einen Baumwollengel zu machen. Ihre Unterhose war aus Mehlsäcken genäht, und ihr Bluse rutschte wieder nach oben, so dass ich erneut ihre rote zusammengezogene Seite sehen konnte.
»Papa hat Narben«, meinte ich.
Die Worte fielen nur so aus meinem Mund, denn bisher war mir nicht bewusst gewesen, dass auch Kinder – kleine Mädchen – welche bekommen konnten. Narben kamen von Haufen voller Kohle und großen Holzstücken, die auf einen herabfielen, oder von scharfen Gegenständen, die hin und her schwangen und einen schnitten. Sie kamen von gefährlichen, dramatischen Situationen, die mir nicht zustießen.
»Ja, mein Papa auch«, sagte sie. »Hast du keine?«
»Ne.«
»Keine einzige?«
Ich hätte auch gern eine Narbe gehabt oder irgendetwas, das mit ihrer verbrühten Haut oder dem breiten weißen Streifen auf Papas Schulter hätte mithalten können. Ich schaute nach unten, musterte meine Füße und meine Beine, ließ dann den Blick über meine Arme wandern und hoffte inbrünstig, irgendwo eine Narbe zu entdecken, die ich bisher nur noch nie bemerkt hatte. Irgendeinen Hinweis auf ein großes Abenteuer, das ich vergessen hatte.
Was ich sah, war ein breites V, das Überbleibsel eines Sturzes im Hof, als ich auf einen Stein gefallen war. Es war genau in der Mitte meines Arms, ein wenig unterhalb des Ellbogens und kam mir nicht ungewöhnlicher vor als eine Sommersprosse. Ich hatte den Schrei vergessen, den ich ausgestoßen hatte, als ich auf dem Boden aufgeschlagen war – ich wusste auch nicht mehr, warum ich überhaupt gerannt war –, und ich hatte vergessen, wie ich beinahe wieder gefallen wäre, als ich die Stufen hinaufstürmte, um jemanden zu finden, der mich verarztete. Ich hatte mich auch nicht mehr daran erinnert, wie mein Arm einen ganzen Tag lang geblutet hatte, wie sich Mama über mein Bett beugte und den Verband kontrollierte, den sie um die Wunde gewickelt hatte, und sich tiefe Falten auf ihrer Stirn zeigten, als sie sah, dass noch immer Blut durchsickerte. Wie ich befürchtete, auf das Betttuch zu bluten, und wie ich fragte, ob ich vielleicht im Schaukelstuhl schlafen könne und Mama mir die Haare aus der Stirn gestrichen und nur gelächelt hatte.
Ich hielt Lou Ellen meinen Arm unter die Nase und zeigte auf das V. »Ich bin da draußen neben den Stufen auf einen Stein gefallen«, erklärte ich.
Sie begutachtete meine Narbe eingehender, als ich es bei der ihren getan hatte, und strich sogar mit einem schmutzigen Finger darüber.
»Hübsch«, sagte sie. Ihre Zunge lugte wieder heraus und presste sich auf ihre Unterlippe, und ich dachte: Nein, nicht wie ein verängstigtes Tier. Sie sieht nachdenklich aus und klug. Wie ein Eichhörnchen, das eine Pekannuss verstecken will – mit blinzelnden Augen und zuckenden Barthaaren. »Gefällt mir.«
»Die ist sehr klein«, erwiderte ich.
Sie neigte den Kopf so, dass sie ihre verbrühte Seite sehen konnte, und fuhr dann noch einmal über meine Narbe, wobei sie mich fast kitzelte. Es fühlte sich eher wie eine Feder als wie ein Finger an. »Deine ist hübscher«, sagte sie. »Sieht so aus, als hättest du einen
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