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Wenn Die Nacht Beginnt

Wenn Die Nacht Beginnt

Titel: Wenn Die Nacht Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
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saß. Bevor ich mich versah, beugte er sich in mein Fenster.
    »Ms. Bailey«, fing er an, »Sie müssen mir verraten, wodurch ich Sie beleidigt habe.«
    »Mr. Persoff, man wird Sie überfahren!«
    »Nein, bitte, sagen Sie es mir. Ich muss es wissen.« Dann schaltete die Ampel um. Hinter uns hupte es. Alexander Persoff, mit einem Knie auf der Fahrbahn, ignorierte sie. »Sie müssen mir noch eine Chance geben.«
    »Ach, um Himmels willen. Stehen Sie auf und fahren Sie dorthin.« Ich zeigte auf einen Parkplatz.
    Alexander zuzusehen, wie er aus seinem Auto ausstieg, war, als ob man einer mächtigen Eiche zuschaut, die im Zeitraffer wächst. Kennen Sie den Baum, von dem ich spreche, die Art, die in Louisiana wächst, ein König von einem Baum, aber ein freundlicher König, auf den Sie unbedingt klettern wollen, mit gemütlichen Ecken, in die Sie sich liebend gerne kuscheln würden?
    Falls Sie sich für Bäume – oder Männer – interessieren.
    Ich hatte lediglich an Ersteren Interesse.
    Alexander, voll entfaltet, die Spitzen seiner weichen, braunen Mokassins an der weißen Linie zwischen unseren Autos, stand nahe bei mir, aber nicht zu nahe. Er muss gespürt haben, dass, wenn er nicht Abstand hielt, ich wieder in mein Auto hüpfen und weg sein würde.
    Ich starrte zu ihm hinauf. Aber es war meine Nase, die ihn aufnahm, denn plötzlich gab es etwas Zitronenhaftes in der Morgenluft. Zitronen, frische Zitronen, von der Sonne erhitzt. Ich blinzelte und stand an einer hohen und felsigen Küste. Die dunkle See rauschte über den Kiesstrand unter mir, und ein Stück vom Wasser entfernt lagen ein Mann und eine Frau auf einer Strohmatte, ihre bronzefarbenen Arme ineinander verschlungen, ihre Beine ebenso.
    Ungewohntes Verlangen rührte sich zwischen meinen eigenen Beinen. Ich zwang es mit meiner Willenskraft, zu verschwinden.
    Inzwischen wartete Alexander schweigend darauf, dass ich etwas sagte. Ich spürte, dass er Ewigkeiten dastehen würde. Er hatte die Hartnäckigkeit von Penelope, die alle Bewerber abwies, während Odysseus über die Erde wanderte. Geduld war nicht eine meiner Stärken, obwohl ich sie an anderen bewunderte.
    »Sie sehen nicht wie ein Immobilienmakler aus«, bemerkte ich schließlich.
    »Eigentlich bin ich auch keiner.«
    Ich trat einen Schritt zurück. Ich wollte mich nicht in seinem Lächeln verfangen, das einladend und verheißungsvoll auf seinem Gesicht strahlte.
    »Warum geben Sie sich dann als Makler aus?«, wollte ich wissen. »Meine Mutter hat Sie angerufen, nicht wahr?«
    Alexander machte ein finsteres Gesicht, und ich hörte, wie irgendwo im Kaukasus Felsblöcke krachend einen steilen Gipfel hinunterrollten. Wenn er wirklich verärgert wäre, dachte ich, würde mir die Lawine seiner Leidenschaft das Trommelfell zerreißen.
    »Ihre Mutter?«, fragte er. »Ich kenne Ihre Mutter nicht. Ich meinte, ich verkaufe Immobilien, um Leib und Seele zusammenzuhalten, aber meine Leidenschaft ist meine Malerei. Porträtmalerei ist meine wahre Liebe.«
    »Ah.« Ich kam mir ziemlich dumm vor.
    »Also, darf ich Ihnen ein paar Häuser zeigen? Charlotte sagte, dass Sie ganz dringend ein Haus brauchen.«
    Ja. Ja, das stimmte, und bevor ich wusste, wie mir geschah, hatte ich Alexander erlaubt, mich in seinen schwarzen Wagen zu setzen. Er war dabei, mich zu einem Haus zu fahren, von dem er sicher war, dass es mir gut gefallen würde.
    Unterwegs erzählte er mir, dass sein Vater ein Porträtmaler gewesen war, wie auch sein Großvater, der aus St. Petersburg geflohen war mit einem Mantel, in dessen Futter er das Familiensilber versteckt hatte. Wir Südstaatler fallen leicht auf Geschichten herein, in denen Silberbestecke vorkommen. Viele von uns haben mit Gabeln gegessen, die unsere Urgroßmütter vor den Yankees versteckt hatten.
    Ich erzählte ihm von dem Feuer in meiner Wohnung und wie ich mein eigenes Silber zusammen mit der Katze gepackt hatte.
    »Was Sie nicht sagen! Meine Familie ist genauso. Was für ein Zufall.«
    Dann konnte ich vor meinem geistigen Auge eine lange Tafel sehen, die für vierundzwanzig Gäste gedeckt war, wobei Alexanders Silberbesteck und meines ineinander übergingen. Der Hochzeitskuchen würde von beiden gleich schmecken.
    Aber dann entfaltete sich eine hellrote Flagge der Gefahr. Denn, so warnte sie, dies hier war nicht nur ein Mann, sondern ein gut aussehender Mann und ein Immobilienmakler obendrein. Schlimmer als ein Jurist. Verschlagener als ein Gebrauchtwagenhändler und übler als der

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