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Wenn Die Nacht Beginnt

Wenn Die Nacht Beginnt

Titel: Wenn Die Nacht Beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
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Abschaum der Menschheit, sogar als ein Architekt.
    Ich starrte hinaus auf die Whitland Avenue, voll von schönen alten Wohnhäusern und Lauben. »Fahren wir zurück«, sagte ich. »Diese Gegend ist viel zu reich für meine Herkunft.«
    Alexander hob seine rechte Hand vom Lenkrad und hielt sie wie ein Verkehrspolizist hoch. »Warten Sie«, meinte er und fuhr in eine Auffahrt, die sich wie eine Geheimtür in einer hohen, grünen Hecke öffnete.
    Ein langer, gewundener Zufahrtsweg schlängelte sich durch knöchelhohes Gras, altes Gras, Riedgras, das noch nie von einem Bulldozer berührt, noch nie umgepflügt worden war, jungfräuliches Gras, das schon vor den ersten englischen Siedlern hier gewesen war. Die Apfelbäume waren über hundert Jahre alt. Pflaumen. Birnen. Und am Ende der Zufahrt ein Steinhaus, das aussah, als ob es wie das Gras einfach der Erde entwachsen sei.
    »Was ist denn das?«, fragte ich.
    »Es war Teil einer Farm.« Mit seinen langen Armen zeigte Alexander in jede Richtung. »Der Rest davon ist verkauft worden, aber das hier ist übrig geblieben, das Haus und zwölftausend Quadratmeter Grund. Die Eigentümerin starb vor ein paar Monaten, nur ein Jahr vor ihrem hundertsten Geburtstag. Das Haus muss natürlich renoviert werden, aber es hat eine sehr gute Substanz. Sollen wir hineingehen?«
    Ich konnte nicht. Ich stolperte aus dem Auto und plumpste auf eine Steinstufe und vergaß völlig meinen guten, schwarzen Rock. Mir war schwindlig vor Sehnsucht und klamm vor Angst.
    Das konnte nicht gut sein, sagte meine innere Stimme. Es kann nicht sein, dass du nach fünf Jahren aus deinem Kokon aufgetaucht bist, einfach ich will gesagt hast, und auf einem Tablett deinen Herzenswunsch überreicht bekommst, von keinem Geringeren als einem russischen Porträtmaler mit einem Grübchen im Kinn, in das dein kleiner Finger perfekt hineinpassen würde.
    »Geht es ihnen gut?« Alexander zog besorgt die Stirn in Falten.
    »Ich bin überwältigt.«
    »Ah«, seufzte er und setzte sich neben mich. »Ich dachte mir, dass Sie das Haus lieben würden. Wovor haben Sie Angst? Sagen Sie es mir.«
    Nun ja, das war die Frage, nicht wahr?
    Ich hatte Angst vor der Liebe. Ich hatte William geliebt und ihn verloren. Ich hatte meine Wohnung geliebt, und sie war ausgebrannt. Ich hatte Mutter geliebt, und sie hatte mich wie ein Kissen durch ihre vielen Ehen gewirbelt. Wenn ich es zuließe, dass ich mich in dieses Haus verliebte und etwas damit passieren würde – nun, ich glaube, ich könnte nicht weiterleben. Ich könnte es einfach nicht. Selbst jetzt konnte ich das Geräusch des Ladens von Vaters Jagdflinte wie fernen Donner hören.
    Schließlich brach Alexander in mein langes Schweigen. »Tanzen Sie Tango?«
    »Was?«
    »Bestimmt tanzen Sie Tango.«
    Er stand auf und zog mich auf die Füße, legte eine Hand in meinen Rücken, und während er eine vertraute lateinamerikanische Melodie summte, tanzte er mit mir in das Haus meiner Träume.
    Ich konnte mir das Haus nicht leisten. Der veranschlagte Preis war genau doppelt so hoch wie mein Budget, zweimal die Summe, die ich von der Versicherung erhalten hatte.
    Alexander meinte: »Sie brauchen nicht die ganze Summe bar zu bezahlen, wissen Sie. Sie müssen lediglich eine Anzahlung leisten. Wir beschaffen Ihnen eine Hypothek.«
    »Nun, das ist eine großartige Idee«, meinte Jack, Stiefvater Nummer Fünf, »falls du die Raten bezahlen kannst.«
    »Wovon sprichst du? Ist das nicht wie Miete bezahlen?«
    Es war so, nur dass es bedeutend mehr Geld war, da meine Miete ein kümmerlicher Betrag gewesen war. Außerdem, welche Bank würde einer arbeitslosen Einsiedlerin einen Kredit geben?
    »Wir könnten dir das Geld leihen«, schlug Mutter vor, »obwohl du, wenn du wieder zur Arbeit gingst, leicht selbst einen Kredit bekommen könntest.«
    »Das hatte ich eigentlich nicht vorgehabt, Mutter.«
    Ich höre, wie Sie denken: Was für eine faule Frau. Aber es war nicht Trägheit. Ich konnte einfach nicht. Ich war noch nicht bereit, wieder in die Welt zurückzukehren.
    »Nuuun«, meinte Mutter gedehnt. »Wir würden dir gern helfen, weißt du …«
    Ich hasste es, wenn sie in diesem Tonfall sprach. Mein Ärger überwältigte mich, und ich schleuderte ihr die Wörter ins Gesicht. »Alexander sagte, ich könnte einen Kredit bekommen, also kann ich es auch.«
    »Alexander?« Mutter spitzte wie ein Collie die Ohren.
    »Alexander Persoff, mein Makler.«
    »Alexander Persoff, der Porträtmaler? Der, der Mimie

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