Wenn Die Nacht Beginnt
beiden Männer hineinsprangen und das Auto mit zwei offenen Türen davonschoss.
Und dann war ich bei meiner Schwester.
Ihr Gesicht war bleich, mit Ausnahme der Stelle, wo ihr das Blut aus dem Mund ran. »Lynn?«, flüsterte ich und tastete sie mit zitternden Händen ab. Die Mitte ihres Uniformhemdes war zerrissen und blutig, und der Boden war klebrig von ihrem Blut. Ihre Augen blieben geschlossen.
Mir fiel etwas ein, ich griff zu dem Funkgerät an ihrer Seite und drückte zweimal den roten Knopf, machte eine Pause und drückte ihn wieder, und noch einmal.
In der Ferne heulten Sirenen auf und wurden lauter, während sie näher kamen. Ich blieb neben meiner Schwester auf Händen und Knien. Der Lärm der anrückenden Einheiten kam näher und näher, und alle paar Augenblicke rief ich dasselbe Wort, immer und immer wieder, so laut, dass es trotz der Sirenen hörbar war.
»Lynn? Lynn?«
Und ihre Augen blieben geschlossen.
Bald war die kleine Straße verstopft von Notambulanzen, Streifenwagen, Feuerwehrfahrzeugen, Wagen der Staatspolizei und sogar ein Auto vom örtlichen Gewässer- und Forstwart – alles wegen eines kleinen, roten Knopfes.
Lynn wurde zusammengepackt und weggefahren. Ich wollte mit ihr fahren, aber ihre Kollegen waren hartnäckig.
Die als erste eingetroffenen Polizeibeamten stellten mir Fragen.
Der Schichtleiter stellte mir Fragen.
Der Polizeipräsident, aus dem Bett geholt und hastig angezogen, stellte mir Fragen.
Die Staatspolizei stellte mir Fragen.
Und ihnen allen sagte ich das Gleiche.
Es war dunkel. Da waren zwei Männer, vielleicht drei. Ein dunkles Auto. Vielleicht blau, vielleicht schwarz. Kein Kennzeichen, so weit ich wusste.
Und das war es.
Stunden später, als sie mich schließlich gehen ließen, atmete ich tief ein und sammelte mich, und dann unterbrach ich meinen Ruhestand und ging noch einmal an die Arbeit.
Es gibt eine Redensart, dass ein wenig Wissen gefährlich ist. Das erwies sich in der folgenden Woche als wahr, als ich auf die Jagd ging. Ich hatte ein wenig Wissen – kannte die Gesichter von zwei Männern, das Auto, das sie fuhren, und das Kennzeichen daran, und nach mehreren Tagen, die ich mit Telefonanrufen, Treffen in Kneipen und Restaurants, Geld, das in schlichten, braunen Umschlägen übergeben wurde, und einige Gefälligkeiten, die arrangiert wurden, verbrachte, hatte ich schließlich zwei Namen und zwei Adressen.
Also erwies sich das bisschen Wissen tatsächlich als gefährlich.
Aber nicht für mich.
Als meine Arbeit schließlich getan war, schlief ich fast einen ganzen Tag und fuhr dann nach Porter, um endlich meine Schwester zu besuchen.
Sie lag in einem Krankenhausbett im dritten Stock und sah so heiter aus, wie man es unter den Umständen erwarten konnte. Ein Bein – das linke, das eine Fleischwunde abbekommen hatte – war verbunden und hing an einem dieser Foltergeräte, die vorgeben, medizinische Ausrüstung zu sein. Sie lächelte, als ich ins Zimmer kam, und zuckte zusammen, als sie sich im Bett bewegte. Sie hatte eines dieser hässlichen Krankenhausnachthemden an, und der Boston Globe vom Tag lag über die Bettdecke verteilt.
»Wie geht es dir?«, fragte ich und zog mir einen Stuhl an ihr Bett.
»Besser«, antwortete sie. »Meinem Bein geht es gut, und meine Rippen sind am Abheilen. Die kugelsichere Weste ist etwas Wunderbares, nur fühlt es sich hinterher an, als ob mich jemand mit einem Baseballschläger bearbeitet hätte.«
»Da hast du Recht, aber denke an die Alternativen.«
Sie streckte mir die Zunge heraus. »Lieber nicht.«
Ich sah mich in dem Zimmer um. Sie hatte ein privates Zimmer, das ich organisiert hatte, und das Fensterbrett war überfüllt mit Blumen und Karten. Der Fernseher lief mit abgestelltem Ton, und die Sonne schien durch die hohen Fenster. Selbst ans Bett gefesselt und mit Verbänden und Krankenhauskleidung sah sie großartig aus.
Sie sah auf ihre Hände, dann sah sie zu mir auf und sagte: »Jason …«
»Ja?«
»Danke.«
»Wofür?«
Sie bewarf mich mit einem Papierknäuel. »Du weißt, wofür. Danke, dass du besonnen geblieben bist, und mein Funkgerät benutzt hast. Die Ärzte sagten mir, dass ich eine Menge Blut verloren hatte. Ein paar Minuten länger … nun, ein paar Minuten hätten vielleicht die Dinge interessanter gemacht. Danke, dass du es nicht interessanter hast werden lassen.«
»Gern geschehen.«
»Und noch etwas.«
»Ja?«
Lynn atmete durch, zuckte wieder zusammen. »Ich habe letzte Woche
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