Wenn Die Nacht Beginnt
nicht prüde, da war sie sich sicher. Vielleicht hatte sie seine Energien überschätzt – sie war schließlich kaum mehr als halb so alt wie er –, und diese Tatsache war ein wunder Punkt bei ihm. Wenn ja, dann war es das erste Mal, dass der Altersunterschied zum Thema wurde. Wahrscheinlich war er eher geistig abwesend. Manchmal war er so: In einem Moment hier bei ihr, liebenswürdig und aufmerksam, und im nächsten Augenblick hundert Meilen entfernt, in Gedanken verloren. Ja, es gab noch viele Dinge zu erfahren.
Sie bückte sich, um die Zeitung aufzuheben und auf den Tisch zu legen. Dabei las sie die Schlagzeile auf der Vorderseite des zweiten Abschnitts, wo sie den Ortsnamen Detroit entdeckte. Sie fragte sich, ob das Peters Geistesabwesenheit ausgelöst hatte. Detroit war seine Heimatstadt, der Hauptsitz der Kette seiner Geschäfte, die ihm gehört hatten. Wenn es ihm so unvermittelt unter die Augen kam, hatte es ihn vielleicht an frühere Angelegenheiten erinnert. Die Überschrift selbst – »›Sabon Roman SC‹ Detroiter Gangsterboss kommt hier vor Grand Jury« – hatte so wenig mit ihm zu tun, dass sie harmlos sein musste.
Als er zurückkam, war er wie zuvor, zärtlich und verspielt. Sie war so erleichtert, dass sie fast vergaß, ihn wieder anzumachen. Ihre Balgerei war diesmal kürzer und weniger hitzig, und fünfundvierzig Minuten später saßen sie in den Schalensitzen eines apfelgrünen Camaro-Cabrios und kämpften sich durch den Verkehr und aus dem Smog heraus, öffneten schließlich das Verdeck und fühlten sich wie Cary Grant und Deborah Kerr. (Laurie war süchtig nach AMC.)
Der Morgenhimmel war bedeckt, aber nach dem eher enttäuschenden Lunch in Santa Barbara, wo das Restaurant aus Peters Erinnerung den Pächter gewechselt hatte und qualitativ nachgelassen hatte, kam die Sonne heraus. Als sie schließlich wieder Richtung L.A. fuhren, fielen die Strahlen schräg durch orange- und lilafarbene Wolken in einem dieser herzzerreißenden Sonnenuntergänge, die der vergifteten Luft von Südkalifornien eigen sind. Laurie, die früher Protokollführerin ihrer Umweltgruppe an der High School gewesen war, war zu berauscht von der violetten Schönheit des Pazifiks, um sich darüber Gedanken zu machen. Sie befand sich in den Flitterwochen in einer märchenhaften Gegend mit einem Mann, der – wie sie amüsiert und erfreut erfuhr – zwei Fahrspuren kreuzen würde, um zu vermeiden, eine schläfrige Seemöwe zu überfahren, die auf dem Asphalt vor sich hin döste.
»Oh, Mr. Macklin!«
Der Empfangschef, ein Mexikaner, der nicht viel älter war als ihr Zimmerkellner am Morgen, aber mit beträchtlich mehr Stil, reichte Peter eine Nachricht, die auf hoteleigenes Briefpapier gekritzelt war. Peter las sie, sah zu dem rosafarbenen Licht der Bar und küsste Laurie.
»Es wartet jemand auf mich. Ich werde bald hochkommen.«
»Ist sie hübsch?« Sie ließ es neckend klingen. Eine kleine, kalte Faust hatte sich in ihrem Magen zusammengeballt.
»Es ist ein er, und er ist nicht einmal gut aussehend. Wir waren Geschäftspartner. Ich fürchte, ich muss höflich sein.«
Er küsste sie noch einmal und ging mit dem gleichen Gesichtsausdruck, den er heute Morgen hatte, als sie aus dem Bad gekommen war.
Oben im Zimmer zog sie eines der Nachthemden an, die sie für die Flitterwochen gekauft hatte, sandfarben und nicht schwerer als ein paar Gramm, und schlüpfte ins Bett. Sie hatte eigentlich vor, wach zu bleiben, aber die lange Fahrt und die Seeluft taten ihre Wirkung, und sie schlief ein.
Beim Morgengrauen wachte sie auf, allein. Seine Seite des Bettes war unberührt. Das Nachrichtenlämpchen am Telefon blinkte.
»Eine Nachricht, Mrs. Macklin, von Mr. Macklin.« Es klang wie derselbe junge Mann an der Rezeption. »Soll ich sie hochschicken?«
»Nein, öffnen Sie sie und lesen Sie sie mir vor.« Sie hatte die Telefonschnur um ihre Hand gewickelt, bis die Knöchel weiß waren.
»›Liebling‹«, las der Mann von der Rezeption vor, »›eine juristische Angelegenheit wegen des Verkaufs meines Geschäfts ist mir dazwischengekommen. Ich treffe dich um elf im Speisesaal. Liebe Grüße, Peter.‹«
Sie legte auf, ohne dem jungen Mann zu danken. Was für eine Art juristischer Angelegenheit hielt einen Mann im Ruhestand die ganze Nacht wach? Sie fragte sich, ob dieser er wirklich ein er war. Eine Weile weinte sie. Dann beschloss sie, aufzuhören, sich wie ein Kind zu benehmen, und rief den Zimmerservice.
Nach dem
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